15. Mai 2018

Massiver Widerstand gegen geplante Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes

Zehntausende Menschen sind an Christi Himmelfahrt in München friedlich auf die Straße gegangen, um gegen die geplante Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) zu demonstrieren.

 

Das neue PAG soll die Rechte der Polizei gegenüber Bürgern – insbesondere auch wenn noch kein Strafverfahren eingeleitet wurde – massiv ausdehnen.

 

Einführung des Rechtsbegriffs der „drohenden Gefahr“

 

Für Überwachungsmaßnahmen, verdeckte Ermittlungen, das Abhören von Telefonaten, Onlinedurchsuchungen sowie das Sicherstellen von Paketen und Briefen war bisher eine  „konkrete Gefahr“ notwendig. Nach dem Begriff der „konkreten Gefahr“ muss ein Täter in seiner Planung bereits so fortgeschritten sein, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung eines Schutzguts (zum Beispiel Leben oder körperliche Unversehrtheit) bevorsteht.

 

Nach neuer Fassung soll für die aufgezählten Maßnahmen bereits eine „drohende Gefahr“ genügen. Mithin darf die Polizei beim bloßen Verdacht auf Anordnung eines Richters weit in die Grundrechte des Bürgers eingreifen. Ein Missbrauch dieser Eingriffsrechte ist demnach um ein vielfaches leichter, als wenn vom anordnenden Ermittlungsrichter mittels stichhaltiger Beweise ein hinreichender Tatverdacht dargelegt werden muss.

 

Anwendung einer „erweiterten DNA-Analyse“

 

Weiterhin soll eine „drohende Gefahr“ genügen, um in Zukunft sogenannte „erweiterte DNA-Untersuchungen“ durchführen zu können. Bislang darf die Polizei DNA-Spuren nur dafür nutzen, sichergestellte DNA-Spuren miteinander abzugleichen (zum Beispiel sichergestellte DNA an einem Tatort mit der DNA eines Verdächtigen).

 

Zukünftig soll sichergestellte DNA auch verwendet werden dürfen, um persönliche Merkmale des Trägers (zum Beispiel Geschlecht, Haarfarbe, ethnische Herkunft) auslesen und für Ermittlungen verwenden zu dürfen. Außerdem soll die Abgabe einer DNA-Probe bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung fortan Pflicht sein.

 

Gesichtserkennung und Verhaltensmusterauswertung

 

Der Polizei soll außerdem in Zukunft gestattet sein, Kameras mit Gesichtserkennungs- und Verhaltensmustersoftware nutzen zu können. Auf diese Weise können Personen in der Menge verfolgt und identifiziert werden, beispielsweise bei Demonstrationen. Das verfassungsmäßig verbürgte Recht auf freie Meinungskundgebung ist somit erheblich eingeschränkt.

 

Verlängerte Präventivhaft

 

Richter sollen nach Einführung des neuen PAG Verdächtige ohne Anklage bis zu drei Monate lang in Präventivhaft nehmen können. Hierzu soll wieder keine tatsächlich ausgeübte oder hinreichend wahrscheinliche Straftat erforderlich sein, vielmehr soll wieder eine „drohende Gefahr“ genügen.

 

„Welcome back to 1933“

 

Das PAG wird nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch von Rechtsexperten zurecht  scharf kritisiert. Das oben genannte Zitat stammt von einem Banner auf besagter Demonstration in München.

 

Die Neufassung des Gesetzes würde nicht nur ein gänzlich durch Misstrauen geprägtes Klima in Bayern schaffen. Es ist auch aufgrund der erheblichen Eingriffe in die Freiheitsrechte von Beschuldigten verfassungswidrig. Das neue PAG rückt die Polizei erheblich in die Richtung einer Geheimpolizei, also einer Mischung aus Geheimdienst und Polizei, die es in Deutschland zuletzt zur Zeit der NS-Diktatur und im SED-Regime der DDR gab.

 

Abstimmung über neues PAG in dieser Woche

 

Es bleibt zu hoffen, dass der bayerische Landtag nicht für die Einführung des PAG in der präsentierten Neufassung stimmen wird und sich auch die CSU nicht den Argumenten gegen ihren unvertretbaren Vorschlag verschließt.

 

Das gern verwendete Totschlag-Argument „Wer nichts zu verbergen hat, den stört auch eine permanente Überwachung nicht!“ vermag jedenfalls nicht zu überzeugen.

 

 

„Zu argumentieren, dass Sie keine Privatsphäre brauchen, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist so, als würden Sie sagen, dass Sie keine Meinungsfreiheit brauchen, weil Sie nichts zu sagen haben.“ – (Edward Snowden)

 

 

 

Ein Beitrag von Alexander Schlüter