Seit dem 13.10.2017 wird die Beteiligung an nicht erlaubten Straßenrennen als Straftat verfolgt. Zuvor handelte es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot geahndet wurde. Die Rechtfertigung für diese Gesetzesverschärfung liegt laut Gesetzgeber in dem Ziel, künftige Straßenrennen zu unterbinden und somit das Leben anderer Verkehrsteilnehmer zu schützen. Zweifelhaft ist jedoch sowohl die Umsetzung dieses Ziels als auch dessen Erfolgsaussichten.
§ 315d Abs. 1 StGB: Beteiligungen an Straßenrennen sind ab sofort eine Straftat
Der neu eingeführte § 315d Abs. 1 Strafgesetzbuch stellt denjenigen unter Strafe, der im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Straßenrennen ausrichtet, durchführt oder an einem solchen teilnimmt. Ebenso wird bestraft, wer als einzelner Kraftfahrzeugführer im Straßenverkehr eine höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen will und dabei grob verkehrswidrig und rücksichtslos fährt.
Eine Gefahr für andere Menschen oder Sachen oder gar ein realisierter Schaden wird vom Tatbestand nicht vorausgesetzt. Es handelt sich somit zunächst um ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt. Das verletzte Rechtsgut ist dabei die allgemeine Sicherheit des Straßenverkehrs und nicht das Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern, da der Tatbestand auch ohne die Verletzung anderer Menschen erfüllt ist. Dies steht jedoch im Widerspruch zu dem erklärten Ziel, ebenjene Menschen zu schützen. Die Tat ist der Verletzung der zu schützenden Rechtsgüter derart vorgelagert, dass überhaupt nicht mehr zu erkennen ist, auf welche konkrete Gefährdung der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Tatbestands abgestellt hat. Gleichzeitig benutzt der Gesetzgeber diese nicht bestimmbare konkrete Gefährdung als Rechtfertigung für die Strafverschärfung, die § 315d Abs. 1 StGB mit sich bringt. Dies hat letztlich zur Folge, dass ein Verhalten schärfer geahndet wird als zuvor, ohne dass sich mit den materiellrechtlichen Voraussetzungen auseinandergesetzt wird. Die abstrakte Gefährdung durch zu schnelles Fahren oder auch durch die Teilnahme an illegalen Straßenrennen wurde bereits vorher hinreichend sanktioniert.
Die konkrete Gefährdung für Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert (ab 750 €) wird für den neuen Tatbestand dennoch relevant, soweit sie gemäß § 315d Abs. 2 Strafgesetzbuch durch einen der oben genannten Tatvarianten erfolgt. Der Widerspruch zwischen dem erklärten Ziel des Gesetzgebers und der tatsächlichen Umsetzung besteht nun soweit nicht, als dass tatsächlich Leib oder Leben eines Menschen betroffen sein muss. Dennoch läuft der neue Tatbestand ins Leere. Wer im Straßenverkehr die erlaubte Geschwindigkeit überschreitet und dadurch einen anderen Menschen tötet, wird bereits nach dem Strafgesetzbuch wegen fahrlässiger Tötung und gegebenenfalls wegen Gefährdung des Straßenverkehrs bestraft. An der maximalen Strafobergrenze würde sich im Vergleich zu der neuen Rechtslage nichts ändern, so z.B. auch bei dem berühmten Raser-Fall aus Berlin. Somit wird dem Ziel des Gesetzgebers, durch Strafverschärfungen illegale Straßenrennen zu unterbinden, die Grundlage entzogen.
Studien belegen: Schärfere Strafen führen in aller Regel nicht zu weniger Straftaten
In Zweifel gezogen muss aber grundsätzlich bereits der gesetzgeberische Ansatz, präventiv durch Strafverschärfungen gegen strafbares Verhalten der Bürger vorzugehen. Dies ist zum Scheitern verurteilt, denn nach allen empirischen Erkenntnissen haben Strafverschärfungen keinen Einfluss auf die Anzahl der begangenen Straftaten. Die Neueinführung des § 315d Strafgesetzbuch ist aus diesem Grund nicht geeignet, das erklärte Ziel des Gesetzgebers zu erfüllen. Es verbleibt ein Tatbestand, der sowohl aus materiellrechtlicher als auch aus kriminalpolitischer Sicht nicht zu rechtfertigen ist.
Wird Ihnen eine Straftat aus dem Bereich des Verkehrsstrafrechts vorgeworfen, wenden Sie sich vertrauensvoll an den Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig und Fachanwalt für Strafrecht Christian Albrecht. Oftmals kann durch umfangreiche schriftliche Anträge eine Hauptverhandlung verhindert und das Verfahren zur Einstellung gebracht werden.
Ein Beitrag von Rechtsreferendar Mitja Ziehr