ein Beitrag von Rechtsreferendarin Pelin Sentürk
Der Verleumdungsprozess von Johnny Depp gegen Amber Heard hat für viel Aufsehen gesorgt. In den Fokus der Medien ist neben dem US-Schauspieler Johnny Depp und seiner Ex-Frau eine weitere Person geraten: Depps Anwältin Camille Vasquez, die durch ihre hervorragende Vernehmungstaktik zum heimlichen Star des Prozesses wurde. Doch welche Strategie verfolgte Vasquez in dem Kreuzverhör von Heard und was genau verhalf ihr zum Erfolg?
Worum ging es?
In dem langwierigen Prozess beschuldigte sich das frühere Ehepaar gegenseitig der häuslichen Gewalt und Verleumdung. Die Jury stellte sich weitestgehend auf Depps Seite. Heard wurde wegen Verleumdung zur Zahlung von 10,35 Millionen Dollar Schadensersatz verurteilt, während Depp wegen rufschädigenden Aussagen durch seinen ehemaligen Anwalt an Heard zwei Millionen Dollar zahlen soll. Mit dem Ergebnis gab sich Heard nicht zufrieden und legte Berufung ein.
Was ist das Erfolgsrezept der Anwältin Camille Vasquez?
Um die Glaubwürdigkeit Amber Heards zu erschüttern, verfolgte Camille Vasquez eine besondere Strategie:
Vasquez knüpft jede Frage an Aussagen von Heard, die sie zuvor in ihrer Beziehung zu Depp getätigt hatte. Die Fragen untermauert sie wiederum mit geeigneten Beweismitteln wie früheren Sprachnotizen und Chatverläufen. Dadurch vermittelt sie geschickt ein Bild davon, wie Heard in der Beziehung zu Depp zu jedem einzelnen Thema stand. Indem Vasquez die eigenen Worte von Heard gegen sie verwendet, verwickelt sich Heard – augenscheinlich ohne viel Zutun Vasquez‘ – in Widersprüche.
Ferner war Vasquez ausschließlich bereit, präziseste Antworten als solche zu akzeptieren. Die Vernehmung durch die gegnerische Anwältin Elaine Bredehoft verfolgte sie wiederum aufmerksam und rügte eine Frage nach der nächsten. Nicht ohne Grund werden die Einwendungen „leading“ und „objection“ in Verteidigerkreisen in den USA seither als Synonym für Camille Vasquez verwendet, freilich mit einem Augenzwinkern.
Die im Zivilverfahren angewendete Vernehmungstaktik durch Depps Verteidigerteam lässt sich auf das Strafverfahren übertragen. Die Wahl der richtigen Vernehmungstaktik hängt dabei von der jeweiligen Verfahrenssituation ab und kann entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen. So lag es auch im vorliegenden Fall. Die Geschworenen der Jury entschieden sich gegen die Glaubwürdigkeit von Amber Heard.
Die besten Ausschnitte aus dem Kreuzverhör von Amber Heard mit Anwältin Camille Vasquez sind hier zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=EQSnaq9N0v8.
Was ist eigentlich ein „Kreuzverhör“?
Unter dem Kreuzverhör ist eine besondere Art der Vernehmung von Zeugen zu verstehen. Auf die Befragung durch die Partei, die den Zeugen benannt hat, folgt anschließend die Befragung durch die Gegenseite. Das Kreuzverhör findet seinen Ursprung im anglo-amerikanischen Beweisrecht; entspricht in der Ausgestaltung jedoch nicht den Regelungen im deutschen Recht.
In den USA
In den Vereinigten Staaten stellt das Kreuzverhör (engl. „cross examination“) eine der wichtigsten Prozesshandlungen dar. Es handelt sich um ein echtes Gegenverhör und soll durch Konfrontation zur Wahrheitsfindung beitragen. Die konfrontative Vernehmung dient nach Rule 611b Federal Rules of Evidence (FRE) der Aufdeckung unzulässiger Zeugenvorbereitung und Erschütterung der Glaubwürdigkeit der gegnerischen Zeugen. Bei dem US-amerikanischen Kreuzverhör sind nur Fragen über beweiserhebliche Tatsachen zulässig. Suggestivfragen (engl. „leading questions“) sind nur derjenigen Partei gestattet, die den Zeugen nicht benannt hat; wogegen Meinungen oder Schlussfolgerungen des Zeugen grundsätzlich untersagt sind. Bei unzulässigen Fragen besteht die Möglichkeit des Einspruchs (engl. „objection“). Das Gericht kann dem Einspruch entweder stattgeben (engl. „sustained“) oder ablehnen (engl. „overruled“).
In Deutschland
Von der Vernehmung im Wege des Kreuzverhörs wird in Deutschland vergleichsweise selten Gebrauch gemacht und ist nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 239 Abs. 1 StPO zulässig. Danach ist die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger auf deren übereinstimmenden Antrag durch den Vorsitzenden zu überlassen. Die Art der Befragung ist hierbei eher als ein wechselseitiges Verhör zu qualifizieren. Nach Abschluss des Kreuzverhörs hat der Vorsitzende die Möglichkeit in der Sache erforderlich scheinenden Fragen zu stellen, um seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nachzukommen.
Obgleich die praktische Bedeutung des Kreuzverhörs gering ist, bleibt das Fragerecht des Verteidigers an den Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen in der Hauptverhandlung gemäß § 240 Abs. 2 StPO unberührt.
Die Hauptverhandlung steht unmittelbar bevor?
„Scheinwerfer“-Prozesse wie im Fall Depp vs. Heard bekommt man in Deutschland nicht häufig zu sehen. Doch auch außerhalb eines filmreifen Verfahrens sollten Sie umgehend einen Strafverteidiger kontaktieren, wenn Sie sich in einem Strafverfahren befinden und eine Hauptverhandlung wohlmöglich schon anberaumt ist.
Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig und das Team von H/T-Defensio stehen Ihnen bundesweit als Ansprechpartner zur Seite. Als ausschließlich auf das Strafrecht und Strafverteidigung spezialisierte Kanzlei ist unser Ziel bereits im Ermittlungsverfahren eine Einstellung zu erwirken und Ihnen eine Hauptverhandlung zu ersparen. Sollte es dennoch zu einer Hauptverhandlung kommen, wählen Sie mit uns Strafverteidiger mit langjähriger Hauptverhandlungserfahrung. Unser gesamtes Team bildet sich ständig durch gezieltes Vernehmungstraining fort, um Ihnen die bestmögliche Verteidigung zu bieten.