ein Blogbeitrag von Rechtsanwalt Christoph Grabitz und Rechtsreferendarin Leila El-Sawaf
Keine Nation konsumiert so viele Pornos wie wir Deutschen. Wer viel legale Pornographie konsumiert, läuft Gefahr, im Internet auf kinder- und jugendpornographische Inhalte zu stoßen. Es drohen empfindliche Haftstrafen. Wie kann man sich dagegen schützen?
Mehr als 30.000 Pornos zeitgleich pro Sekunde werden weltweit angeschaut, so die Techniker Krankenkasse in einem Artikel aus dem Jahr 2021. Weltmeister im Schauen von Pornos: Deutschland. 12,4 Prozent des weltweiten Porno-Traffics entfalle auf unser Land, weit mehr als der globale Länderdurchschnitt von 7,7 Prozent. Deutscher Meister wiederum: Hamburg. In keiner deutschen Stadt werde mehr Pornographie konsumiert.
Mit steigendem Konsum steigt auch das Risiko, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Der Konsum „normaler“ Pornographie ist erlaubt – aber was ist in dem bunten Feld menschlicher Sexualität schon „normal“? Unter Strafe gestellt jedenfalls sind gewalt-, tier- und kinder- und jugendpornographische Inhalte. Die letzten Beiden machen die überwiegenden Fälle in unserer Praxis als Strafverteidiger aus.
Die Grenze zwischen Verboten und Erlaubt ist oft schmal: „Teen-Pornos“ zum Beispiel sind eine äußerst beliebte und stark nachgefragte Kategorie. Teenager ist man ab einem Alter von dreizehn Jahren. Legal ist „Teen-Porn“ aber nur in dem äußersten schmalen Korridor zwischen eighteen und nineteen. Sind die Abgebildeten jünger als achtzehn, liegt ein jugendpornographischer Inhalt vor. Gemäß § 184c StGB droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren.
Wie kann man sich davor schützen, an illegale Inhalte im Sexualstrafrecht zu gelangen?
Zunächst einmal, indem man gar nicht erst danach sucht. Eine Vielzahl unserer Mandanten hat aber genau dies getan, meist aus Neugier und ohne sexuell an Kindern interessiert zu sein. Oft liegt bei diesen Mandanten die Annahme einer Pornosucht nahe, seit dem Jahr 2019 eine von der WHO anerkannte Störung. Sie durchforsten das Internet stunden- und tagelang nach pornographischen Inhalten. Und wie bei jeder Sucht schildern viele Betroffene ein Ansteigen des Suchtpotentials: „Normale“ Pornographie übt irgendwann keinen so großen Reiz mehr auf sie aus wie „Verbotenes“.
Dass man im so genannten Darknet besonders leicht an Verbotenes gelangt, dürfte kaum überraschen. Auf den großen Porno-Plattformen des Clear-Webs (z.B. „Youporn“ oder „Pornhub“) zufällig auf inkriminierte Inhalte zu stoßen, ist hingegen sehr unwahrscheinlich. Denn die großen Plattformen führen rechtliche und tatsächliche Prüfungen durch, bevor sie Inhalte öffentlich zugänglich machen, zunehmend bedienen sie sich für diese Prüfung künstlicher Intelligenz.
Besondere Vorsicht ist geboten bei WhatsApp- oder Telegram-Gruppen, in denen sich eine unabsehbare Anzahl von Nutzern aufhalten. Hier sollte penibel darauf geachtet werden, dass in derartigen Gruppen verschickte Bilder keinesfalls automatisch in auf dem Handy befindlichen Fotoordnern abgespeichert werden. Ansonsten könnte ein strafbarer Besitz inkriminierter Inhalte vermutet werden. Seit Juli 2021 ist nicht nur der Besitz, sondern bereits das einmalige Abrufen eines Bildes eine Straftat. Selbst im Falle kleiner, automatisch abgespeicherter Vorschaubilder, so genannte Thumbnails, werden Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Kinder und Jugendliche sollten in Schulen und Elternhäusern für die Gefahr sensibilisiert werden, in Chatgruppen an inkriminierte Inhalte zu gelangen. Im Zweifel sollte man gar nicht erst Teilnehmer in Großgruppen sein, in denen pornographische Inhalte verschickt werden. Man weiß nicht, was man bekommt.
Unerheblich für die Frage der Strafbarkeit ist, ob es sich um „echte“ Fotos oder Videos handelt oder ob computergenerierte oder gezeichnete Bilder vorliegen, zum Beispiel Hentai- oder Mangabilder. Sofern, aus der Sicht eines verständigen Dritten, ein Kind sexualisiert abgebildet ist, liegt ein kinderpornographischer Inhalt vor.
Auch Käufe von Datenpaketen mit einer Vielzahl pornographischer Inhalte stellen ein Risiko dar: Es kommt immer mal wieder vor, dass sich in der Masse der Dateien auch illegale Abbildungen oder Videos finden. Sofern die Anzahl im Vergleich zu der Anzahl legaler Pornographie allerdings gering ist, lässt sich in diesem Falle argumentieren, dass kein Vorsatz vorliegt. Ein solcher kann nämlich zumindest dann nicht vorliegen, wenn ein Beschuldigter von der Existenz der inkriminierten Dateien gar keine Kenntnis hat.
Verfahren wegen des Verdachts kinderpornographischer Inhalte: So kommt es zustande
Klassischer Weise kommt ein Verfahren wegen des Verdachts kinderpornographischer Inhalte auf zwei mögliche Art und Weisen zustande: Entweder, es wird ein Telefon beschlagnahmt und durchsucht, auf dem sich ein Chatverlauf mit inkriminierten Inhalten befindet. Oder aber, es erfolgt eine Verdachtsmeldung an die Bundespolizei des National Centers for Missing and Exploited Children, kurz NCMEC.
Hierbei handelt es sich um eine US-amerikanische NGO, die über eine eigene Meldestelle namens CyberTipline verfügt. Hier gehen Hinweise ein über mögliche strafbare Inhalte im Netz. Nutzer können solche Meldungen auch händisch über ein Onlineformular tätigen. Es erfolgen eine Sperrung des Zugangs, eine Isolierung der auslösenden Datei und eine Aufzeichnung der IP-Adresse. Weitere Hinweise zur Identifizierung des Nutzers wie die E-Mailadresse oder der Benutzername werden der Meldung beigefügt.
Sofern die Inhalte über Computer in Deutschland hochgeladen oder verschickt wurden, erhält das Bundeskriminalamt eine Mitteilung. Infolgedessen werden die Nutzerdaten beim Provider abgefragt. Da diese zur Speicherung der Verkehrsdaten rechtlich nicht mehr verpflichtet sind, werden die Daten in der Regel maximal 7 Tage vorgehalten. Deshalb laufen die Anfragen oft ins Leere. Sollten dem Provider jedoch Daten vorliegen, so ist er verpflichtet den Anschlussinhaber zu offenbaren.
Die Rolle des NCMEC ist rechtsstaatlich problematisch: Zum einen entscheidet hier eine ausländische, halbstaatliche Organisation über das Vorliegen eines Anfangsverdachts und die Auslösung gravierender Einschränkungen ihrer Grundrechte, wie zum Beispiel Hausdurchsuchungen. NCMEC ist an Recht und Gesetz in Deutschland nicht gebunden, die Bewertung von Inhalten durch NCMEC als kinderpornographisch sowie die Arbeitsweise des NCMEC sind hierzulande jeglicher juristischer Kontrollmöglichkeit entzogen. Zum anderen wird, in Polizeikreisen, immer wieder die Fehleranfälligkeit der NCMEC-Meldungen betont. Konkrete Zahlen hierzu gibt es aber nicht.
Ab und zu kommen von einem Verfahren wegen Kinderpornographie Betroffene auf uns zu, die behaupten, Opfer von Hacking oder Phishing geworden zu sein. In diesem Bereich übernehmen die Cyberkriminelle einen Social-Media-Account, um darüber illegale Inhalte zu verbreiten. Der jeweilige Inhaber des Accounts ist ahnungslos und wundert sich über die Sperrung seines Kontos. Zu diesem Zeitpunkt wurden die pornographischen Inhalte meist bereits von der jeweiligen Socialmedia-Plattform den Behörden gemeldet, was ein NCMEC–Verfahren auslöst. Sofern es nach Aktenlage belastbare Anhaltspunkte für eine Verbreitung durch Hacking oder Phising gibt, kann der Tatvorwurf unter Umständen entkräftet werden.
Entscheidend ist hier oft, inwieweit eine Motivation für eine solche Tat durch etwaige Dritte herausgearbeitet werden kann. Wurde unsere Mandantschaft mit der Drohung der Verbreitung kinderpornographischer Inhalte via Phishing unter Druck gesetzt? Sollte eine bewusste Rufschädigung erfolgen? Falls es ein solches Motiv nicht gibt, hat eine Argumentation mit Phishing oder Hacking unserer Erfahrung nach wenig Aussicht auf Erfolg.
Anwalt Sexualstrafrecht: Spezialisierte Verteidigung bei H/T Defensio
Sollte Ihnen eine Straftat im Zusammenhang mit Kinder- oder Jugendpornographie vorgeworfen werden, wenden Sie sich jederzeit an H/T Defensio Strafverteidiger. Fachanwalt für Strafrecht Dr. Jonas Hennig und sein gesamtes Team verfügen über die notwendige Expertise, um Sie bestmöglich zu verteidigen.