von ht-strafrecht | 17. Mai 2023 | Defensio

Alkohol und E-Scooter: Neues vom Verkehrsgerichtstag 2023

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ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Anna-Lena Berning

Das kennen viele: Im Club wird es später als erwartet. Die Öffis fahren nicht mehr. Jetzt ein teures Taxi rufen? Oder doch lieber schnell mit dem E-Scooter heim? Das kann im betrunkenen Zustand böse enden – auch ohne Unfall. Die Empfehlungen des aktuellen Verkehrsgerichtstages in Goslar lassen jedoch auf mildere Sanktionen hoffen.

 

Alkohol und Promillegrenzen im Straßenverkehr

Wer in Deutschland betrunken Auto oder Fahrrad fährt, macht sich strafbar. Das gilt selbst dann, wenn nichts und niemand dabei gefährdet wird. Grund dafür ist § 316 StGB. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke […] nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.

Zur Beantwortung der Frage, wann eine Person alkoholbedingt nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen, gibt es relative und absolute Grenzwerte. Beim Überschreiten einer absoluten Promillegrenze wird eine Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet. Überschreitet die Blutalkoholkonzentration (BAK) zwar den relativen, nicht aber den absoluten Grenzwert, müssen zusätzlich alkoholtypische Ausfallerscheinungen, wie etwa eine risikoreiche Fahrweise oder Schlangenlinien, hinzukommen.

In der Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt sind folgende Promillegrenzen bei Auto- und Radfahrern:

Grenzwert relative Fahruntüchtigkeit

  • Auto: 0,3 Promille
  • Fahrrad: 0,3 Promille

Grenzwert absolute Fahruntüchtigkeit

  • Auto: 1,1 Promille
  • Fahrrad: 1,6 Promille

 

Nach derzeitigem Stand werden von den deutschen Gerichten die Grenzwerte, die für Autofahrer gelten, regelmäßig auch auf E-Scooter-Fahrer angewendet. Denn gemäß § 1 eKFV werden E-Scooter als Elektrokleinstfahrzeuge eingestuft und sind damit – ebenso wie Autos und anders als Fahrräder – Kraftfahrzeuge.

 

Folgen einer Trunkenheitsfahrt: status quo

Neben der in § 316 StGB angedrohten Geld- oder Freiheitsstrafe geht regelmäßig auch ein Entzug der Fahrerlaubnis inklusive einer Sperrfrist zur Neuerteilung damit einher. Im Gegensatz zum Fahrverbot, welches nach Ablauf der Verbotsdauer automatisch wieder zum Führen eines Kfz berechtigt, muss bei einem Fahrerlaubnisentzug die Fahrerlaubnis neu beantragt werden. Das kann im Einzelfall kostenintensiv und zeitaufwendig sein, wenn in dem Zuge auch die im Volksmund als „Idiotentest“ bezeichnete Medizinisch-Psychologische-Untersuchung erfolgreich bewältigt werden muss.

Grund für diese regelmäßige Verknüpfung von Geld- oder Freiheitsstrafe mit dem Entzug der Fahrerlaubnis ist § 69 StGB. Dort heißt es in Absatz 1:

„Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt […] so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.“

Aus § 69 Absatz 2 StGB ergibt sich sodann, dass die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges in der Regel anzunehmen ist, wenn es sich bei der rechtswidrigen Tat unter anderem um einen Verstoß gegen § 316 StGB handelt.

Hieraus folgt, dass in einem solchen Fall ein Gericht die Entziehung nicht weiter begründen muss. Es kann und wird nur dann von einer Entziehung der Fahrerlaubnis ausnahmsweise absehen, wenn Umstände vorliegen, die sich deutlich vom Durchschnittsfall abheben.

Ob bei E-Scootern, die aufgrund ihrer Qualifizierung als Kraftfahrzeuge grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 69 StGB fallen, eine solcher Ausnahmefall zur Regewirkung vorliegt wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Einige Oberlandesgerichte – wie das OLG Hamburg und das Bayerische Oberste Landesgericht – haben allerdings keinerlei Bedenken gezeigt, die Regelvermutung auch bei E-Scooters zur Anwendung zu bringen und haben nicht allein aufgrund der Eigenschaft als E-Scooter eine Ausnahme angenommen.

 

Wer oder was ist der Verkehrsgerichtstag?

Mit dem Verhältnis der des § 69 StGB zu Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern hat sich auch der Verkehrsgerichtstag auseinandergesetzt. Der Verkehrsgerichtstag in Goslar ist ein Kongress, bei dem sich einmal jährlich eine Vielzahl von Verkehrsjuristen und anderen Verkehrsexperten trifft, um in acht Arbeitskreisen über aktuelle Problematiken und die Zukunft des Verkehrsrechts diskutieren. Am Ende eines jeden Kongresses werden insoweit Empfehlungen abgegeben, die sich traditionell an den Gesetzgeber richten und häufig auch ganz oder teilweise umgesetzt werden. So hat sich beispielsweise die Regelung, dass E-Scooter ab einer Geschwindigkeit von über 12 km/h erst ab 14 Jahren genutzt werden dürfen, an der Empfehlung des Verkehrsgerichtstages aus dem Jahr 2012 orientiert.

 

Was empfehlen die Experten in Bezug auf die Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern?

Grundsätzlich, so die Empfehlung des zuständigen Arbeitskreises, sollten sich die Promillegrenzwerte für E-Scooter auch weiterhin an den für Autos Geltenden zu orientieren. Auf Rechtsfolgenseite spricht der Arbeitskreis sich allerdings dafür aus, die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB dahingehend zu ändern, dass sie bei Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter (und auch bei anderen fahrerlaubnisfreien Elektrokleinstfahrzeugen) nicht greift. Die Verhängung eines weniger empfindlichen Fahrverbotes gemäß § 44 StGB sei insoweit ausreichend.

Sollte der Gesetzgeber dieser Empfehlung folgen, wäre dies in zweifacher Hinsicht erfreulich: Eine entsprechende Gesetzesänderung würde einerseits die drohenden Folgen einer Trunkenheitsfahrt abschwächen; andererseits bildete sich endlich eine einheitlichere, und damit gerechtere, Handhabung derartiger Fälle heraus.

 

Sie wurden alkoholisiert auf einem E-Scooter oder mit einem sonstigen Kfz erwischt?

Dann zögern Sie bitte nicht, uns so früh wie möglich zu kontaktieren und machen Sie keinerlei Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden. Rechtsanwältin Svenja Dörge ist unsere Spezialisten im Verkehrsstrafrecht und steht Ihnen kompetent und engagiert zur Seite. Nur so können wir bereits im Ermittlungsverfahren eingreifen und das beste Ergebnis für Sie erzielen. Wir von H/T Defensio sind auf das allgemeine Strafrecht spezialisiert und stehen Ihnen bundesweit als verlässliche Ansprechpartner zur Seite. Vereinbaren Sie unkompliziert einen Online-Termin oder einen persönlichen Termin an einem unserer Standorte.