von ht-strafrecht | 13. Februar 2023 | Defensio

Containern strafbar? Ist das Abfall oder kann das weg?

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ein Beitrag von Rechtsreferendarin Eva Straßmeier

Von der Tonne auf den Teller – warum „Containern” bald nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden soll.

 

Bleibt Containern strafbar?

Wer weggeworfene Lebensmittel aus Containern fischt, macht sich wegen Diebstahls strafbar. Dass die Lebensmittel dadurch gerettet werden und die Lebensmittelverschwendung reduziert wird, macht für die Beurteilung der Strafbarkeit keinen Unterschied. So jedenfalls die Auffassung der Justiz bisher. Dies soll sich nun ändern:

Anfang des Jahres sprachen sich Justizminister Buschmann, FDP, und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Grüne, dafür aus, dass Containern künftig straffrei sein solle. Eine Ausnahme solle nur in den Fällen bestehen, in denen gleichzeitig ein Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung begangen werde. Das Strafgesetzbuch solle aber insoweit nicht geändert werden. Vielmehr sollten die Strafverfolgungsbehörden durch eine Änderung von Verwaltungsvorschriften bewegt werden, die betreffenden Verfahren nicht zu verfolgen oder aber einzustellen. Eine Straffreiheit durch die Hintertür, könnte man sagen.

 

Containern im Strafrecht: zum Hintergrund der Diskussion

In Deutschland werden jährlich 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Circa eine Tonne entfällt dabei auf den Einzelhandel. In Zeiten, in denen Ressourcen knapper werden und Preise stetig steigen, ist das eine sehr hohe Zahl. Dies hat zu Recht Kritik hervorgerufen: Denn die meisten weggeworfenen Lebensmittel sind noch genießbar. Allenfalls das Haltbarkeitsdatum ist überschritten.

Zwei Studentinnen aus der Nähe von München wurden 2019 wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls verurteilt, da sie Lebensmittel aus einem verschlossenen Container eines Supermarktes entwendet hatten (AG Fürstenfeldbruck, 30.01.2019 – 3 Cs 42 Js 26676/18). Die beiden jungen Frauen ließen das Urteil nicht auf sich beruhen und zogen zunächst vor das Bayerische Oberste Landgericht (BayObLG), wo ihre Sprungrevision jedoch als unbegründet verworfen wurde. Das BayObLG bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts (BayObLG, Beschl. v. 02.10.2019, Az. 206 StRR 1013/19 u. 206 StRR 1015/19). Schließlich reichten sie Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Das BVerfG sah keinen Verstoß gegen die Verfassung (Beschl. v. 05.08.2020, Az. 2 BvR 1985/19 u. 2 BvR 1986/19). Es regte in seiner Entscheidung jedoch eine Änderung der Rechtslage an:

„Das Gericht kann diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat.“

 

Rechtliche Bewertung von Containern

Voraussetzung für einen Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache mit Zueignungsabsicht. Teils wird argumentiert, weggeworfene Lebensmittel seien schon nicht fremd, weswegen kein Diebstahl in Betracht käme. Es läge mit dem Wegwerfakt eine Eigentumsaufgabe, genannt Dereliktion, vor. Dieser Ansicht steht jedoch das Abfallrecht entgegen, wonach der Abfall bis zur Abholung im Eigentum des Abfallbesitzers verbleibt und danach auf den Entsorgungsträger übergeht. Selbst wenn also Lebensmittel weggeworfen werden, wird das Eigentum zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Dies wird auch nach außen dadurch deutlich, dass Container in der Regel verschlossen werden. Ein Grund für das Verschließen ist auch, dass Supermarktbetreiber in die Haftung genommen werden können, wenn gesundheitsschädliche Lebensmittel in Umlauf geraten.

Neben den Diebstahl treten häufig noch andere Delikte: Sofern der Container verschlossen war und aufgebrochen wird, kommt noch ein Diebstahl im besonders schweren Fall und eine Sachbeschädigung an dem Container in Betracht. Weiter geht „Containern“ auch oftmals mit einem Hausfriedensbruch einher, wenn nämlich fremde Grundstücke unbefugt betreten werden.

 

Straffreiheit oder eher Strafunwürdigkeit?

Es leuchtet ein, dass vermehrt Stimmen laut werden, die eine Straffreiheit von „Containern“ fordern. Der guten Gründe gibt es viele: Umwelt- und Klimaschutz, die Reduzierung von Ressourcenverschwendung sowie eine zunehmende Anzahl von bedürftigen und einkommensschwachen Menschen.

Kritiker weisen auf die mit dem „Containern“ einhergehende Eigentumsverletzung hin. Das Recht auf Eigentum ist durch die Grundrechte geschützt. Es darf nur eingeschränkt werden, wenn dazu eine Rechtfertigung vorliegt. Ansonsten ist das Grundrecht auf Eigentum verletzt. Inwieweit „moralische“ Erwägungen wie Ressourcenverschwendung zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs ausreichen, wird zu Recht kontrovers diskutiert. Normalerweise bedürfte es zu einer Einschränkung eines Gesetzes.

Nicht das Ziel also ist zu hinterfragen, sondern der Weg dahin. Ist eine Verwaltungsvorschrift das geeignete Mittel, um – juristisch unangreifbar – für Klarheit zu sorgen? Oder handelt es sich eher um einen halbherzigen Ansatz, der niemandem „weh tun“ will? Könnte man eventuell die Supermärkte dazu verpflichten, aussortierte aber noch genießbare Lebensmittel kostenlos im Markt zu Verfügung zu stellen? Klar dürfte in diesem Fall sein, dass eine Haftung der Supermarktbetreiber ausgeschlossen werden müsste.

Frankreich ist in dieser Hinsicht Deutschland ein ganzes Stück voraus. Bereits Anfang 2016 wurde ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung erlassen. Darin werden Supermärkte verpflichtet, nicht verkaufte Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe im vierstelligen Bereich. Das Gesetz zeigt deutliche Wirkung: Der Anteil an Lebensmitteln, die über gemeinnützige Einrichtungen verteilt werden, stieg bereits im ersten Jahr um knapp zwanzig Prozent. Und Frankreich schuf auch einen Anreiz für die Supermärkte selbst: Werden die Lebensmittel gespendet, so erhalten die Supermärkte sechzig Prozent von der Steuer zurück. Diese Win-Win Situation erscheint auch für Deutschland erstrebenswert.

 

Ihnen wird ein Diebstahl aus noblen Motiven vorgeworfen?

Sie haben Lebensmittel aus einem Container entwendet, unter Umständen diesen sogar beschädigt, beziehungsweise fremdes Eigentum betreten? Wir stehen Ihnen bereits im Ermittlungsverfahren zur Seite. Zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren: Wir von H/T Defensio sind auf das allgemeine Strafrecht spezialisiert und stehen Ihnen bundesweit als verlässliche Ansprechpartner zur Seite. Vereinbaren Sie unkomplizierten einen Online-Termin oder besuchen Sie uns an einem unserer Standorte in Hamburg, Lüneburg, Kiel, Lübeck, Bremen, Hannover, Osnabrück, Dortmund, Köln oder Münster.