OLG Rostock, Beschl. v. 12.2.2018 − 21 Ss OWi 200/17 (Z)
In konsequenter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 5 I GG hat auch das OLG Rostock entschieden, dass das Aufhängen eines Banners mit dem Schriftzug A.C.A.B. (all cops are bastards) weder den Tatbestand der Beleidigung noch eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) erfüllt.
Sachverhalt
Die drei Betroffenen hatten im Rahmen eines Fußballspiels ein Banner aufgehängt, welches für die Allgemeinheit gut lesbar war. Auf dem Banner mit hellem Untergrund sind zwei Polizeibeamte im grünen Dienstoverall zu sehen, die gemeinsam auf einer auf dem Bauch liegenden männlichen Person knien, deren Arme auf dem Rücken verschränkt sind. Mittig auf dem Transparent ist gut lesbar die Abkürzung „A.C. A. B.“ in weißer Schrift aufgebracht. Einer der Betroffenen wurde durch das Amtsgericht wegen vorsätzlicher Belästigung der Allgemeinheit zu einer Geldbuße verurteilt. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.
Gründe
Das Gericht hat in konsequenter Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung festgestellt, dass es sich bei der Aktion um eine Meinungsäußerung handelt, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) fällt. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten ein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Sie genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Das Banner und die darauf stehende Parole sind nicht offensichtlich inhaltslos, sondern bringen eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Meinungen unterliegen dem besonderen Schutz des Art. 5 I GG. Eine Verurteilung würde einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit darstellen.
Eine Strafbarkeit wegen § 185 StGB kommt deshalb genauso wenig in Betracht, wie eine Verurteilung wegen § 118 OWiG. Eine Strafbarkeit nach § 185 StGB scheidet überdies schon deshalb aus, da es sich um eine sogenannte „straflose Kollektivbeleidigung“ gehandelt hat. Es fehlt an einer Individualisierung des Beleidigten. Die bloße Präsentation des Banners im Stadion im Bewusstsein, dass die Polizei vor Ort ist, genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Individualisierung gegen bestimmte Beamte nicht.
Fazit
Immer wieder müssen sich Gerichte mit solchen oder ähnlichen Fällen beschäftigen. Obwohl die Frage der Strafbarkeit des Ausspruchs „ACAB“ längst durch das Bundesverfassungsgericht geklärt ist, wird immer wieder gegen Betroffene ermittelt. Strafrecht ist ultima ratio! Es darf nicht dazu dienen Menschen eine angepasste Wortwahl aufzuzwingen. Die Meinungsfreiheit ist eins der höchsten Güter eines Rechtsstaates und muss entsprechend geschützt werden.
Ein Beitrag von Rechtreferendar David Hölldobler