ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Jana Heinecke
Persönliche Besuche bei Untersuchungshäftlingen sind nur in engen Grenzen möglich. Umso wichtiger ist die Telefonerlaubnis. Leider droht hier in vielen Fällen eine Überwachung.
Wie kommt man in Untersuchungshaft?
In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist der Beschuldigte noch nicht verurteilt. Bis zum rechtskräftigen Beweis der Tat gilt für den Beschuldigten der Grundsatz „in dubio pro reo“ (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“). Dennoch können Beschuldigte in diesem Stadium des Verfahrens hinter Gitter wandern.
Untersuchungshaft ist nach dem Gesetz zulässig, wenn ein dringender Tatverdacht besteht und ein und ein Haftgrund vorliegt, § 112 Abs. 1, Satz 1 StPO.
Ein dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist.
Das ist, nach dem aktuellen Ermittlungsstand, immer wieder aufs Neue zu beurteilen. Diese Beurteilung muss stets auf Ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Sollte also auf Grund neuer Ermittlungserkenntnisse der dringende Tatverdacht entfallen, muss der Haftbefehl unverzüglich aufgehoben werden (§ 120 StPO).
Neben einem dringenden Tatverdacht muss auch ein Haftgrund vorliegen. Dieser kann zum Beispiel angenommen werden, wenn ein Beschuldigter flüchtig ist oder sich verborgen hält. Die Flucht muss dabei im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die Strafbehörden stehen. Sollte beispielsweise ein Student nach Ablauf des Auslandssemesters wieder in sein Heimatland zurückkehren, wie es ohnehin geplant war, wäre von keinem solchen Zusammenhang auszugehen. Ist der Beschuldigte noch nicht flüchtig, besteht aber eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen wird, liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor. Dies muss stets an konkreten Tatsachen bemessen werden. Lediglich Vermutungen dazu anzustellen, reicht nicht aus.
Ein weiterer Haftgrund ist die Verdunkelungsgefahr. Diese besteht, wenn bestimmte Tatsachen bekannt sind, die eine Einwirkung des Beschuldigten auf Beweisergebnisse befürchten lassen. Das könnte durch Manipulieren oder Bedrohen von Zeugen der Straftat erfolgen.
Das Gesetz bietet zudem eine vereinfachte Inhaftierung bei Schwerkriminalität (§112 Abs. 3 StPO). Wer dazu ein Gesetz aufschlägt, könnte beim bloßen Lesen darauf kommen, die Beschuldigten einer solch schweren Straftat wie Mord oder Totschlag müssten automatisch in Untersuchungshaft. Laut dem Bundesverfassungsgericht ist dem nicht so. Es ist zusätzlich erforderlich, dass eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr nicht auszuschließen ist. Diese Befürchtung muss in diesen Fällen aber nicht durch konkrete Tatsachen belegt werden.
Ferner ist der nachrangige Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu erwähnen (§112 a StPO). Zur Begründung eines solchen Haftgrundes muss ein dringender Tatverdacht nach §112a StPO vorliegen und es müssen konkrete Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Beschuldigte vor einer rechtskräftigen Verurteilung weitere gleichartige Taten begehen wird.
In jedem der genannten Fälle muss die Inhaftierung des Beschuldigten verhältnismäßig sein. Das bedeutet, die Inhaftierung muss für die ungehinderte Durchführung des Verfahrens gegen den Beschuldigten erforderlich sein. Falls dem nicht so ist, müssen mildere Maßnahmen ergriffen werden, um den Beschuldigten zu finden oder das Verfahren zu erledigen. Das könnte beispielsweise durch eine Aufenthaltsermittlung mit einer polizeilichen Ausschreibung gelingen.
Liegen die genannten Voraussetzungen vor, kommt es zum Erlass eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten. Hält die jeweilige Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl für notwendig, stellt diese einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Haftbefehls. Vor der Anklageerhebung – also noch im Ermittlungsverfahren – entscheidet über den Erlass eines Haftbefehls das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder sich der Beschuldigte aufhält (§125 Abs. 1 StPO). Zuständig ist der Ermittlungsrichter (Haftrichter). Nach einer Anklageerhebung – also im Zwischen- und Hauptverfahren – geht die Zuständigkeit auf das Gericht über, das mit der Sache befasst ist (§125 Abs. 2).
Wie können Gefangene in Untersuchungshaft kommunizieren?
Untersuchungsgefangene können grundsätzlich Besuche empfangen, Briefe schreiben oder Telefonate führen. So kann unter anderem ein Treffen mit dem eigenen Verteidiger stattfinden oder es kann mit familiären Vertrauenspersonen oder Freunden telefoniert werden. Angesichts der Zwangslage, in der sich die Gefangenen befinden, kommt dem Kontakt mit der Außenwelt erhöhte Bedeutung zu. Allerdings muss der Untersuchungsgefangene damit rechnen, dass seine Kommunikation überwacht wird.
Besuche, Briefe, Telefonate – alles überwacht?
Dem inhaftierten Beschuldigten können unterschiedliche Beschränkungen in Untersuchungshaft auferlegt werden (§119 StPO). Die Beschränkungen sind ausdrücklich durch ein Gericht anzuordnen. In Betracht kommen Anordnungen durch das Gericht zu Besuchsregelungen, Telefonüberwachung oder Briefkontrolle. Der Kontakt zum eigenen Verteidiger darf nur unter verschärften Voraussetzungen beschränkt werden (§§ 148, 148a StPO). Besuche von nahen Verwandten und Ehegatten werden dem Untersuchungsgefangenen im Normalfall genehmigt. Die Besuche werden aber überwacht und die Gespräche mitgehört.
Die geschriebenen und empfangenen Briefe des Untersuchungsgefangenen werden zumeist vom Haftrichter oder durch die Staatsanwaltschaft gelesen. Was genau in solchen Briefen geschrieben wird, sollte also gut überlegt sein. Weitergeleitet werden nur solche Briefe, deren Inhalt im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren als unbedenklich befunden werden. Außerdem können Briefe als Beweismittel beschlagnahmt werden, sollten sie Hinweise auf den Tatvorwurf ergeben. Bekommt der Haftrichter in einem der Briefe ein Tatgeständnis zu lesen, kann dies also im Strafverfahren verwertbar sein.
Telefongespräche werden bei Vorliegen eines berechtigten Interesses der Gefangenen erlaubt. Dies kann bei ausländischen Gefangenen der Fall sein, deren Angehörige diese nur schwer besuchen können. Häufig wird eine akustische Überwachung der Telefongespräche angeordnet. Es ist auch möglich, dem Untersuchungsgefangenen zu verbieten, verfahrensbezogene Inhalte am Telefon zu besprechen.
Müssen Gefangene jegliche Überwachungen ihrer Kommunikation hinnehmen?
Die durch das Gericht angeordnete Überwachung ist nicht immer rechtmäßig. In vielen Fällen haben sich Gefangene bereits erfolgreich gerichtlich dagegen gewehrt. Auch der Weg bis vor das Bundesverfassungsgericht kann sich lohnen. Dies zeigt unter anderem ein Beschluss vom 15. November 2022 (BVerfG, Beschluss vom 15.11.2022 – 2 BvR 1139/22). Hier wandte sich ein Untersuchungsgefangener gegen die ihm auferlegten Bedingungen. 2019 wurde gegen ih ein Haftbefehl erlassen, der sich auf den Haftgrund der Fluchtgefahr stützte. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschuldigte bereits wegen einer anderen Sache rechtskräftig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht (§ 63 StGB). Das Gericht ordnete an, dass die Telekommunikation des Gefangenen der Erlaubnis bedarf und zu überwachen ist. Dem Gefangenen wurden Telefonate mit seiner aus Frankreich stammenden Mutter genehmigt. Kurz danach wurden ihm auch Telefonate mit seinem Vater erlaubt. Diese seien in deutscher Sprache oder mit einem Dolmetscher zu führen. Die Gespräche dürften nicht vom Strafverfahren handeln. Im Sommer 2021 kam es zu einer Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht München. Der Angeklagte hatte die Tat gestanden. Er beantragte daraufhin die Anordnung über die akustische Überwachung der Telefonate zwischen ihm und seinen Eltern aufzuheben. Diese seien nach seinem Geständnis und einer Verurteilung nicht weiter erforderlich.
Damit hatte der Gefangene vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Die Überwachung der Telekommunikation stellt einen schwerwiegenden Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG dar. Das Grundgesetz stellt Ehe und Familie unter einen besonderen staatlichen Schutz. Staatliche Eingriffe sind nur unter verfassungsrechtlicher Rechtfertigung möglich.
Die Begründung der Überwachung durch das im Fall zuständige Gericht war unzureichend. Sie vermochte, aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, den Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.
Das Gericht begründete die Überwachung mit einer Gefährdung des Haftzweckes aus dem Grund einer Verdunkelungsgefahr. Der Gefangene könnte auf seine Eltern einwirken und diese manipulieren. Eine Begründung, inwiefern eine beeinflussende Aussage des Gefangenen nach dessen Geständnis und Verurteilung noch substanziell das Verfahren bzw. den erfolgten Rechtsfolgenausspruch tangieren könnte, wurde nicht ansatzweise nachvollziehbar begründet.
Es ist darüber hinaus stets erforderlich, dass sich ein Gericht mit den betroffenen Grundrechtspositionen auseinandersetzt und prüft, ob die Beschränkungen des Gefangenen verhältnismäßig sind. Dafür reicht es nicht aus, das Grundrecht bloß abstrakt zu benennen. Es müssen die familiäre Situation des Gefangenen, die Haftbedingungen und insbesondere auch die Haftdauer gewürdigt werden. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge hat das Gericht in dem vorliegenden Fall diesen Maßstäben nicht genügt.
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