von ht-strafrecht | 06. November 2024 | Defensio

Betrunken eine Straftat begangen: Muss ich jetzt in die Psychiatrie?

alkohol-psychiatrie-strafrecht

ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Sarah Waschke

Die Zeiten wandeln sich: Früher war eine Unterbringung in der Psychiatrie für verurteilte Straftäter in vielen Fällen erstrebenswerter als das Gefängnis. Das ist heute nicht mehr so. Denn einmal untergebracht, ist es nicht mehr leicht, den Fängen der Psychiatrie zu entkommen. Ein zunehmend privatisierter Maßregelvollzug lässt seine Kundschaft ungern gehen. Selbst für kleinere Delikte kann man auf diese Weise „lebenslänglich“ bekommen. 

In einer wichtigen Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof nun noch einmal die hohen Anforderungen konkretisiert, unter denen eine Unterbringung gem. § 63 StGB überhaupt nur zulässig ist: 

 

Was war passiert?

Der Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH vom 05.06.2024 (Az. 2 StR 508/23) lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Im Februar 2022 kommt es zwischen zwei Männern am Bahnhof in Frankfurt-Rödelheim zu einem Streit. Dieser eskaliert und mündet letztlich darin, dass der eine Mann seinen Kontrahenten auf das Gleisbett schubst. Der einfahrende Zug kann noch rechtzeitig bremsen, das Opfer überlebt.

Das Landgericht Frankfurt verurteilte den „Schubser“ wegen gefährlicher Körperverletzung, nahm aber eine zumindest verminderte Schuldfähigkeit an und ordnete daraufhin die Unterbringung in einer Psychiatrie an. Die Begründung: Der Mann sei bei der Tatbegehung alkoholisiert gewesen. Dies habe seine Schizophrenie verstärkt. Er habe sich durch das Zusammenspiel von Alkohol und Schizophrenie in einem „Zustand psychotischer Gereiztheit“ befunden.

 

BGH: Schuldunfähigkeit muss zweifelsfrei feststehen

Auf die Revision der Verteidigung hob der BGH das Urteil des LG Frankfurt auf. Nach Ansicht des 2. Strafsenats muss zweifelsfrei feststehen, dass der zu Unterbringenden bei der Tatbegehung schuldunfähig war und die Tatbegehung hierauf auch beruht.

Im vorliegenden Fall bedeutete dies: Die Schizophrenie des Mannes hätte der Auslöser für das Schubsen gewesen sein müssen. Da jedoch erst durch das Zusammenspiel von Schizophrenie und Alkohol die Schuldunfähigkeit des Mannes herbeigeführt worden ist, sei eine Unterbringung in der Psychiatrie nicht das Mittel der Wahl.

 

Überzeugt die Antwort des BGH?

Im Ergebnis überzeugt die Entscheidung des BGH.

Die Unterbringung nach § 63 StGB kennt keine zeitliche Begrenzung.

Im Gegensatz zu einer Freiheitsstrafe kann sich ein Verurteilter bei der Unterbringung nicht darauf verlassen, dass zu einem vorher festgelegten Datum die Haft verbüßt ist.   Die Unterbringung kann nur beendet werden, wenn die Strafvollstreckungskammer in der einmal jährlich stattfindenden Anhörung feststellt, dass der Patient auf Bewährung entlassen werden kann. Dies geschieht nur dann, wenn davon im Wege einer psychiatrisch beratenen Prognoseentscheidung davon ausgegangen werden kann, dass der Patient keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.

Es soll also in die Zukunft geblickt werden. Dies hat zur Folge, dass der Untergebrachte in vielen Fällen nie wieder entlassen wird. Sicher kann sich nämlich niemand sein. Im Zweifelsfall will sich niemand später einen Vorwurf machen lassen wollen. Es gilt der Grundsatz „better safe than sorry“. In der forensischen Psychiatrie Untergebrachte haben keine Lobby.

Es ist vor dem Hintergrund der Subjektivität dieser Prognoseentscheidung lobenswert, dass der BGH einen besonders strengen Maßstab an die Frage legt, ob eine Unterbringung zu Recht verhängt worden ist.

 

Sie sind Beschuldigter in einem Strafverfahren? Sie haben eine polizeiliche Vorladung erhalten?

Das Wichtigste zuerst: Mache Sie von Ihrem verfassungsrechtlich verbürgten Schweigerecht Gebrauch und schalten Sie unverzüglich eine auf das Strafrecht spezialisierte Kanzlei ein. Fachanwalt für Strafrecht Dr. Jonas Hennig und das gesamte Defensio-Team helfen Ihnen gerne weiter und stehen Ihnen als verlässlicher Ansprechpartner zur Verfügung. Zögern Sie bitte nicht, uns jederzeit zu kontaktieren. Wir sind auf sämtliche Bereiche des Strafrechts, insbesondere auf das Sexualstrafrecht und Betäubungsmittelstrafrecht, spezialisiert. Wir bieten Ihnen schnellstmöglichen einen persönlichen Online-Termin zur kostenlosen Erstberatung an.