Jüngst gab der rechtspolitische Sprecher der AfD, Roman Reusch, ein Interview auf lto.de und erläuterte dort die rechtspolitischen Forderungen seiner Partei. Bereits dieses kurze Interview hat deutlich gemacht, wie wenig die AfD von Beschuldigtenrechten im Strafverfahren hält.
So will die AfD u.a. die Untersuchungshaftgründe in § 112 III StPO ausweiten, sodass nicht nur bei dringendem Tatverdacht eines Tötungsdelikts, sondern auch bei anderen schweren Gewaltdelikten ohne weitere Voraussetzungen Untersuchungshaft angeordnet werden kann.
Hiergegen bestehen erhebliche Bedenken. Sinn und Zweck der U-Haft ist es, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und zu verhindern, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzieht. Das Verfahren ist aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aus diesem Grund bedarf es neben dem dringenden Tatverdacht für die Anordnung der U-Haft sogenannter Haftgründe wie Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr. Schon die aktuelle Regelung des § 112 III StPO, wonach die U-Haft dem Wortlaut nach bei bestimmten Straftaten keinerlei Haftgründe erfordert, ist nach dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich auszulegen. Das heißt es müssen auch hier Haftgründe vorliegen, wobei die lediglich die Anforderungen an die Tatsachengrundlagen geringer sind. Andernfalls fände eine Vorverurteilung statt, da in diesen Fällen ein Beschuldigter eingesperrt wird, der nach dem Gesetz noch als unschuldig gilt. Geht es nach dem Willen der AfD, sollen derartige Vorverurteilungen künftig erheblich häufiger und regelmäßiger stattfinden.
Diese Ausweitungen der Untersuchungshaft sollen nach dem Willen von Herrn Reusch auch für Jugendliche gelten. Dass eine Haft gerade für Jugendliche erhebliche schädigende Folgen haben kann, bezeichnet Herr Reusch als „alte 68er-Weisheit“.
Auch diese AfD-Forderung ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Es ist erschütternd, dass ein ehemaliger Staatsanwalt wie Herr Reusch eine derartige Ignoranz gegenüber kriminologischen Forschungen an den Tag legt. Die Schädlichkeit der Haft insbesondere für Jugendliche ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt. Aus gutem Grund kann die U-Haft für Jugendliche daher nach aktueller Regelung nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 72 JGG angeordnet werden. Die AfD ignoriert gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, um populistische „Stammtischforderungen“ durchzusetzen.
Zuletzt will die AfD zur Verfahrensbeschleunigung das Rechtsmittel der Revision abschaffen und durch eine Annahmeberufung ersetzen.
Auch diese Forderung hätte eine erhebliche Einschränkung von Beschuldigten- und Verteidigerrechten zur Folge. Schon nach aktueller Regelung kann ein erstinstanzliches Landgerichtsurteil nur sehr eingeschränkt im Rahmen der Revision auf Rechtsfehler überprüft werden. Der Rechtsweg ist damit heute schon für den Angeklagten stark verkürzt. Mit der Ersetzung der Revision durch eine noch eingeschränktere Überprüfung im Rahmen einer Annahmeberufung würden die Möglichkeiten des Verurteilten, ein Urteil überprüfen zu lassen, noch stärker beschränkt.
Zusammenfassend zeigt sich, dass sämtliche Forderungen der AfD hinsichtlich des Strafrechts einzig und allein vom Willen getrieben sind, möglichst viele Beschuldigte in möglichst kurzer Zeit einzusperren. Die Unschuldsvermutung tritt dabei an vielen Stellen zurück. Zu hoffen bleibt, dass die derzeitigen Regierungsparteien keine dieser offensichtlich verfassungswidrigen Vorschläge übernehmen werden.
Ein Beitrag von Rechtsreferendar Daniel Otto