27. Januar 2019

Ein Kompromiss für § 219a StGB? – wie die Bundesregierung versucht, den Mittelweg zu beschreiten.

Nachdem vor gut einem Jahr das Amtsgericht Gießen (Urt. v. 24.11.2017-507 Ds 501 Js 15031/15) eine Ärztin wegen Verstoßes gegen das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt hat, ist die sich daran anschließende Diskussion auch in der Berliner Politik angekommen.

Zu entscheiden hatte das Amtsgericht über eine Ärztin, die auf ihrer Homepage über den Link „Schwangerschaftsabbruch“ eine PDF-Datei zum Download angeboten hatte, die allgemeine Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sowie das Für und Wider zu den jeweiligen Durchführungsmethoden enthielt. Gleichzeitig erfolgte der Hinweis, dass eine Beratungsbescheinigung gem. § 219 StGB mitzubringen oder eine Indikation gem. § 218 StGB nachzuweisen ist. Hiermit verbunden war, dass die Durchführung gegen Erhalt des üblichen ärztlichen Honorars geleistet wird.

Das Gericht sah aufgrund des Sachverhaltes den Tatbestand des § 219a StGB als erfüllt an. Gemäß § 219 a StGB wird bestraft, wer öffentlich eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruches anbietet, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt. Aus Sicht des Gerichtes begründet auch die aufklärende Information über den Abbruch die Strafbarkeit des § 219a StGB, da das Angebot mit einer Leistung verknüpft wird. Die Angeklagte habe dabei auch im eigenen Vorteil gehandelt, da sie beabsichtigte, die Leistung gegen ärztliches Honorar durchzuführen. Dem stünde auch nicht entgegen, dass das strafbewehrte Verhalten das Recht auf freie Berufsausübung einschränke, da diese zugunsten des geschützten Rechts des ungeborenen Lebens in zulässiger Weise eingeschränkt würde.

Aus rechtlicher Perspektive ist dabei von besonderer Bedeutung, dass die allgemeine Information über Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich als Teil der ärztlichen Aufklärungspflicht angesehen wird, diese Pflicht jedoch durch eine damit verbundene Bereitschaft zur Durchführung den Straftatbestand erfüllt. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, dass Ärzte darüber informieren dürfen, welche Leistungen in ihrer Praxis angeboten werden und dass für diese ärztliche Leistungen ein Honorar zu leisten ist. Dennoch stellt § 219a Abs. 1 StGB das Anbieten, Anpreisen, Ankündigen oder Erklären von Diensten zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruches unter Strafe. Dadurch wird eine Grenze gezogen, die in verfassungsrechtlicher Hinsicht darauf gerichtet ist, den Schutz des ungeborenen Lebens zu gewährleisten. In Ansehung dieses hohen Schutzgutes ist bereits die Anzeige der Bereitschaft zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruches als tatbestandliches „Anbieten“ zu qualifizieren und daher strafbewehrt. Dementsprechend hat das AG Gießen entschieden, dass das Angebot der Angeklagten auf ihrer Homepage als Werbung anzusehen ist und sie daher zu einer Geldstrafe verurteilt.

Dieser vermeintlich eindeutigen Subsumtion unter den Tatbestand von § 219 a StGB kann jedoch entgegengehalten werden, dass die Vorschrift nicht zwischen legalem und illegalem Abbruch unterscheidet. Zwar erscheint es an sich zulässig, dass aus einer straflosen Haupttat im Vorfeld eine hiervon losgelöste, strafbewehrte Handlung, wie im Fall der Werbung, begründet werden kann. Allerdings ergibt sich auch aus dem verfassungsrechtlich entwickelten Beratungskonzept, dass darauf abzielt, den Schutz des ungeborenen Lebens und das Selbstbestimmungsrecht der Frau in Ausgleich zu bringen, bei kumulativem Vorliegen der Voraussetzungen von § 218a Abs. 1 StGB eine Straflosigkeit des Abbruchs. Ausgehend von einer grundsätzlich legalen Abbruchmöglichkeit erscheint eine einschränkende Auslegung des § 219a StGB dahingehend möglich, dass die Vornahme eines legalen Schwangerschaftsabbruches nicht dem Tatbestand unterfällt.

Wenn sich daher eine schwangere Frau, trotz erfolgter verpflichtender Beratung gem. § 218a Abs. 1 Nr. 1, 219 StGB und der Ermutigung zu einer Fortsetzung der Schwangerschaft, eben gegen diese entscheidet, muss sie die Möglichkeit gewährt bekommen, darüber Auskunft zu erhalten, welche Ärzte eine Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Das reine ärztliche Anbieten dieser Leistung, sofern die – wie auch im zugrundliegenden Fall- gesetzlich vorhergehende Beratung dadurch nicht umgangen wird, sollte daher als Angebot der Durchführung eines legalen Schwangerschaftsabbruch von der Strafbarkeit des § 219 a StGB ausgenommen werden. Entscheidendes Kriterium könnte hierbei die Sachlichkeit des Angebotes sein, der durch eine ausführliche Information der medizinischen Faktoren entsprochen würde.

Das dies nicht der aktuellen politischen Intention entspricht, zeigt der aktuelle Vorschlag der Bundesregierung. Entgegen entsprechender Forderungen von der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linkeam 12.12.2018 dahingehend geeinigt, dass der § 219a StGB nicht abgeschafft wird und die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch weiterhin verboten bleibt. Dennoch scheint man sich der Thematik annehmen zu wollen und beabsichtigt, ein Informationsangebot für Frauen zu schaffen. Insoweit ist vorgesehen, dass die Bundesärztekammer und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über die Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch informieren sollen und für Betroffene, in Kooperation mit Ärzten und Krankenhäusern, Kontaktinformationen bereitgestellt werden. Gleichzeitig sollen die Qualität der medizinischen Versorgung sowie die seelischen Folgen eines Abbruchs stärker in den Blick genommen werden. Geplant ist, die Informationspflicht sowie deren Ausgestaltung zeitnah gesetzlich zu verankern.

Das grundsätzliche Festhalten am § 219a StGB erscheint dabei im Sinne des bundesverfassungsgerichtlich erarbeiteten Beratungskonzeptes sinnvoll, um die Gesamtstatik des Konzeptes zu erhalten. Dennoch erscheint es zulässig den Tatbestand des § 219a StGB dahingehend zu verändern, dass Ärzten die Möglichkeit eingeräumt wird, auf das Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen – etwa auf ihrer Homepage – hinzuweisen, sofern der Abbruch selbst rechtmäßig ist. Die Übertragung dieser Aufgabe an eine neutrale Stelle erscheint dabei letztlich als geeigneter Kompromiss.

Im Hinblick auf den diskussionsauslösenden Fall des Amtsgerichts Gießen ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Nachdem das Landgericht Gießen die Berufung zurückgewiesen hat, wurde gegen das Urteil durch die Angeklagte Revision beim Oberlandesgericht Frankfurt eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter der angestrebten politischen Ausrichtung folgen oder eine restriktive Auslegung des § 219a StGB für vorzugswürdig halten werden.

 

Ein Beitrag von Rechtsreferendarin Kristina Quendt