Am 16. Oktober 2016 angelte ein Ehepaar in München 18 Glasflaschen mithilfe eines Greifarms aus einem Altglascontainer, um diese für den Pfand einzulösen. Anwohner beobachteten dies und verständigten die Polizei. Die zuständige Staatsanwaltschaft München I beantragte Strafbefehl wegen Diebstahls für beide Beschuldigte beim Amtsgericht München.
Gericht: Kein messbarer Schaden
Mit Beschluss vom 29. März 2017, Aktenzeichen 843 Cs 238 Js 238969/16, lehnte das Gericht den Erlass beider Strafbefehle jedoch ab. Es sei kein messbarer Schaden entstanden.
Zwar betrage der Pfandwert der 18 Flaschen 1,44 Euro. Durch das Einwerfen der Flaschen in den Altglascontainer würden diese aber dem Pfandkreislauf entzogen, da diese vom im weiteren Verlauf nicht aus dem übrigen Altglas aussortiert würden. Vielmehr würden die Pfandflaschen mit dem anderen Altglas zusammen eingeschmolzen. Für die Berechnung des Wertes der Pfandflaschen sei daher nur der Wert für das Unternehmen maßgeblich.
Im Rahmen der Nachermittlungen konnte jedoch nicht geklärt werden, welchen Wert diese 18 Pfandflaschen im Recyclingprozess ergeben, da dieser so minimal war.
Die Argumentation des Amtsgerichts erscheint eher schwach. Denn normalerweise ist es für die Frage, ob eine Sache gestohlen werden kann, nicht entscheidend, welchen Wert diese hat. Auch wertlose Sachen können ein taugliches Diebstahlsobjekt sein. Dies folgt auch aus § 248a StGB, wonach auch „geringwertige Sachen“ Tatobjekt eines Diebstahls sein können. Die Tat wird dann zwar nur auf Antrag verfolgt, oder wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht.
Überzeugender erscheint daher die Argumentation des Amtsgerichts Tiergarten aus dem Jahr 2011. Danach dürfte jedenfalls eine Aneignungsabsicht fehlen, da die Pfandflaschensammler es ja gerade darauf abgesehen hätten, die Flaschen zurückzugeben. Zu erörtern wäre aber auch schon, ob die Flaschen überhaupt fremd sind oder eine sogenannte Derelektion nach § 959 BGB (willentliche Eigentumsaufgabe) vorlag.
Beschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen
Die von der Staatsanwaltschaft sofort eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht, sodass die Ablehnung des Erlasses der Strafbefehle rechtskräftig wurde. Die Entnahme von Pfandflaschen aus dem Altglascontainer ist damit kein Diebstahl. Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung und der weiterhin bestehenden ungeklärten Fragen bleibt aber auch in Zukunft ein Strafbarkeitsrisiko bestehen.
Ein Beitrag von Rechtsreferendar Mitja Ziehr