24. Mai 2019

Vorwurf Vergewaltigung: Dr. Hennig erreicht Freispruch

von: Dr. jur. Jonas Hennig, Fachanwalt für Strafrecht

Mein unschuldiger Mandant hatte alles richtig und doch alles falsch gemacht. Er erhielt vor etwa zwei Jahren eine Vorladung als Beschuldigter mit dem Vorwurf der Vergewaltigung. Er wusste, dass dieser Vorwurf unberechtigt war und folgte der Ladung. Ohne anwaltliche Beratung und ohne Akteneinsicht. Er vertraute darauf, dass man ihm die Wahrheit glauben würde. Er sah keinen Sinn darin, zu schweigen, einen Anwalt für Sexualstrafrecht zu beauftragen oder nicht zum Termin zu gehen – all dies wäre sein gutes Recht gewesen und es hätte ihm vermutlich viel Leid erspart.

Wer als Unschuldiger einer Vorladung als Beschuldigter folgt, ist (fast) verloren

Sein Vertrauen wurde enttäuscht. Obwohl bereits nach Aktenlage eine höchst fragwürdige Strafanzeige wegen Vergewaltigung vorlag und seine Aussage hingegen plausibel und widerspruchsfrei war, schenkte ihm weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft Glauben. Mit haltloser Begründung, wie auch das Gericht später befand, drehte man ihm das Wort im Munde um. Über ein halbes Jahr später fand er die Anklage wegen Vergewaltigung in seinem Briefkasten. Entsetzt, von der Justiz im Stich gelassen und enttäuscht suchte er endlich anwaltlichen Beistand. Einen Anwalt im Sexualstrafrecht in Kiel. Der Mandant suchte mich auf.

Vorwurf Vergewaltigung: Rechtzeitig Anwalt für Strafrecht beauftragen – Gerichtsverhandlung verhindern

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr mit einem schriftlichen Antrag die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Vergewaltigung beantragen. Diese Chance existiert nicht mehr nach Anklageerhebung. Ich bin sicher, dass wir mit einem umfangreichen schriftlichen Antrag im Ermittlungsverfahren, insbesondere bei einem schweigenden Mandanten – das Schweigen darf nie gegen den Beschuldigten gewertet werden – das Verfahren zur Einstellung gebracht hätten. In einem solchen Antrag hätte ich unter anderem all die unglaubhaften Passagen der Aussage der Anzeigenerstatterin dargelegt. Wenn wir bereits im Ermittlungsverfahren mandatiert werden, haben wir mit dieser Vorgehensweise in der Regel Erfolg und können so eine Gerichtsverhandlung, die auch bei einem Freispruch belastend ist, verhindern. Dies gilt umso mehr bei Ermittlungsverfahren im Sexualstrafrecht, zum Beispiel wegen Vergewaltigung, da hier meist Aussage gegen Aussage steht.

Kampf für die Unschuld vor Gericht

In der Hauptverhandlung war es meine Aufgabe für die Unschuld meines Mandanten zu streiten und endlich professionellen Umgang mit dem Vorwurf der Vergewaltigung walten zu lassen. Das heißt Schweigen! Dies ist bei fast jeder auf Freispruch gerichteten, professionell geführten Verteidigung beim Vorwurf der Vergewaltigung der einzig richtige Weg, auch wenn das für Nichtjuristen bzw. Nicht-Strafrechtler immer schwer zu begreifen ist. Was soll man auch Sinnvolles über eine angebliche Vergewaltigung sagen, die nicht passiert ist. Jede Aussage in der Hauptverhandlung unterläge der freien richterlichen Beweiswürdigung (und das heißt häufig Willkür). Gesagt werden muss jedoch, dass wir es in diesem Verfahren mit einem zwar sehr eigenwilligen, aber doch objektiven und fairen Richter zu tun hatten.

Ich erklärte für meinen Mandanten, dass er die Vergewaltigung bestreite und dann ging es los.

 

 

Der Vorsitzende, der zwar das Verfahren wegen Vergewaltigung eröffnet hatte, teilte dennoch schon recht schnell in der Hauptverhandlung mit, dass er die bestreitende Aussage meines Mandanten im Ermittlungsverfahren für glaubhaft halte und an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Anzeigenerstatterin zweifle.

Tatsächlich war die Aussage der Anzeigenerstatterin und Hauptbelastungszeugin bereits unglaubhaft. Nach über dreistündiger Vernehmung der Zeugin vor Gericht standen drei Dinge bezüglich der angeblichen Vergewaltigung fest, die ich im späteren Plädoyer darlegte:

Die Ausführungen der Hauptbelastungszeugin waren

  1. durchzogen von Widersprüchen, sie waren
  2. von sog. größter „Detailarmut“ und vor allem
  3. vollkommen unplausibel.

Für mich stand fest: Entweder sie lügt bewusst oder sie bildet sich schlicht ein, die Wahrheit zu sagen (sog. autosuggestiver oder fremdsuggestiver Prozess). Unter Darlegung der Rechtsprechung zur Aussagepsychologie (Null-Hypothese des Bundesgerichtshofes) beantragte ich einen Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft konnte nicht mehr die Augen vor den Schwächen der Aussage verschließen und tat dies, wenngleich widerwillig, ebenso.

Das Gericht sprach meinen Mandanten in allen Punkten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei.

Viel Leid und vor allem eine öffentliche Hauptverhandlung hätten hochwahrscheinlich verhindert werden können, wenn mein Mandant von Beginn an geschwiegen hätte und wir bereits im Ermittlungsverfahren aktiv geworden wären. Sei es drum: Ende gut, alles gut.

Gerechtigkeit braucht manchmal seine Zeit.