von ht-strafrecht | 02. September 2025 | Defensio

Sexualstrafrecht in der medizinischen Praxis: wenn Gynäkolog:innen oder Therapeut:innen beschuldigt werden

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ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Marta Polak

 

Wenn ärztliche Nähe zum Vorwurf wird: Was passiert, wenn Mediziner:innen z.B. im Bereich Gynäkologie oder Physiotherapie plötzlich unter dem Verdacht eines Sexualdelikts stehen?

 

Strafbarkeit ärztlichen Verhaltens – § 177, § 174c StGB

Der körperliche Kontakt zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ist ein elementarer Bestandteil medizinischer Behandlungen, insbesondere in Bereichen wie Gynäkologie oder Notfallmedizin. Gerade dort, wo intime Untersuchungen notwendig sind, besteht jedoch das Risiko, dass ärztliches Handeln als grenzüberschreitend oder gar als sexuell motiviert wahrgenommen wird. Die strafrechtliche Bewertung solcher Situationen erfolgt im Wesentlichen anhand der Vorschriften der §§ 177 und 174c Strafgesetzbuch (StGB).

  • 177 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung und erfasst sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer Person, auch ohne Gewaltanwendung.
  • 174c StGB stellt sexuelle Handlungen von Ärzt:innen unter Strafe, wenn sie das besondere Abhängigkeitsverhältnis in medizinischen Behandlungs-, Beratungs- oder Betreuungsverhältnissen ausnutzen. Besonders relevant: Auch einvernehmliche Kontakte sind strafbar, wenn sie in einem solchen Machtgefälle stattfinden. Die Zustimmung schließt die Strafbarkeit also nicht aus.

Die Praxis zeigt: Der Schutz der Patient:innenrechte kann in Konflikt mit dem Recht der Mediziner:innen auf eine faire Beweisführung geraten, insbesondere in Situationen, in denen Aussage gegen Aussage steht.

 

Der Notarzteinsatz in Schwelm – Wenn aus medizinischer Hilfe ein Verdacht wird

Ein exemplarischer Fall zeigt die Komplexität solcher Vorwürfe und die Gefahren für die beschuldigten Mediziner:innen.

Ein Notarzt wurde im Rahmen eines Einsatzes zu einer Patientin mit akuten Schmerzen im Brustbereich gerufen. Im Verlauf der medizinischen Erstversorgung setzte er, medizinisch indiziert, einen Schmerzreiz am Brustbein (Sternum), eine gängige Methode zur Überprüfung der Reaktionsfähigkeit. Die Patientin interpretierte diesen körperlichen Kontakt jedoch als sexuell motiviert. Zusätzlich erhob sie den schwerwiegenden Vorwurf, der Notarzt habe ihr über die Brust geleckt, ein Verhalten, das aus medizinischer Sicht nicht zu rechtfertigen wäre.

Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs auf. Für den Notarzt stand nicht nur seine berufliche Zukunft auf dem Spiel, sondern auch seine persönliche Integrität. Im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme wurden jedoch DNA- und Speichelproben am Einsatzort analysiert mit dem klaren Ergebnis: Es konnten keinerlei Spuren festgestellt werden, die den Vorwurf belegten. Auch eine etwaige gezielte Falschaussage der Patientin oder eine sog. Imagination bzw. Scheinerinnerung lag nahe.

Verteidigt wurde der Arzt in diesem Fall von Dr. Jonas Hennig, Fachanwalt für Strafrecht mit besonderer Expertise im Bereich medizinischer Sexualdelikte. Durch eine präzise Beweisanalyse, das Herausarbeiten medizinischer Standards und eine fundierte Argumentation zur Aussagepsychologie gelang es ihm, die objektiven Widersprüche im Verfahren herauszuarbeiten und die Vorwürfe erfolgreich zu entkräften. Der Arzt wurde freigesprochen.

 

Aussage gegen Aussage: Wann reicht das (nicht)?

In Sexualstrafsachen sind Aussagen der mutmaßlichen Geschädigten oft die einzige Grundlage für das Verfahren. Die Rechtsprechung verlangt in solchen Fällen eine besonders sorgfältige Glaubwürdigkeitsanalyse. Sogenannte „Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen“ genügen nur dann, wenn das Gericht von der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussage überzeugt ist.

Doch der Fall Schwelm zeigt wie wichtig es ist Staatsanwaltschaften und Gerichte für die Unschuldsvermutung und die Besonderheiten bei Aussage gegen Aussage zu sensibilisieren.

Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig betont in diesem Zusammenhang, wie entscheidend eine detaillierte, forensisch gestützte Verteidigungsstrategie ist – insbesondere dann, wenn rein subjektive Eindrücke auf dem Prüfstand stehen.

 

Sensibler Umgang mit Patient:innen-Aussagen – zwischen Schutz und Fairness

Gerade bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen im medizinischen Kontext ist ein sorgsamer und sensibler Umgang mit Patient:innen-Aussagen essenziell. Einerseits muss der rechtliche Schutz von Patient:innen vor sexuellem Missbrauch durch Ärzt:innen ohne Einschränkungen gewährleistet sein. Dazu gehört, dass Betroffene ernst genommen und ihre Aussagen mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft werden. Andererseits dürfen Ärzt:innen nicht vorschnell verurteilt werden, denn eine Falschbeschuldigung kann durch bloße Behauptung eine ärztliche Karriere beenden. Der medizinische Kontext ist sehr komplex. Die Patient:innen befinden sich häufig in körperlich und psychisch belastenden Situationen. Schmerzen, Medikamente oder Verwirrung können die Wahrnehmung zusätzlich verzerren. Was aus Sicht der Ärzt:innen eine medizinisch indizierte Maßnahme war, kann auf Patient:innenseite als übergriffig empfunden werden. Der Gesetzgeber schützt in § 174c StGB genau diese besondere Schutzbedürftigkeit, aber das Strafrecht darf dabei nicht die berufliche Realität ignorieren.

In solchen Fällen ist entscheidend:

  • Lässt sich ein medizinischer Zweck objektiv begründen?
  • Besteht ein dokumentierter Ablauf der Maßnahme?
  • Gibt es entlastende objektive Beweismittel (z. B. keine DNA-Spuren, kein Verhalten, das für Übergriffe spricht)?
  • Könnte eine Fehlwahrnehmung der Patientin eine Rolle gespielt haben?

 

Fazit

Der Fall Schwelm ist kein Einzelfall. Seit über 10 Jahren verteidigt Dr. Hennig Ärztinnen und Ärzte bei medizin– und sexualstrafrechtlichen Vorwürfen.

Hier finden Sie weitere Prozessberichte.

Ärzt:innen geraten bei bestimmten Vorwürfen schnell in existenzielle Not. Objektive Beweise wie DNA-Spuren können in solchen Verfahren eine entscheidende Rolle spielen, um voreilige Schlüsse zu vermeiden. Gleichzeitig ist eine professionelle, psychologisch und juristisch fundierte Analyse der Aussage der Patientin oder des Patienten unerlässlich.

Die erfolgreiche Verteidigung durch Dr. Jonas Hennig verdeutlicht, wie wichtig anwaltliche Expertise im Sexualstrafrecht ist – insbesondere dort, wo fachliche und juristische Aspekte ineinandergreifen.

Erst das Zusammenspiel beider Elemente ermöglicht eine faire und sachgerechte Beurteilung. Doch gerade diese Kombination ist in der Praxis oft schwer zu finden. Ihnen wird eine Straftat vorgeworfen? Zögern Sie nicht und kontaktieren Sie uns zeitnah für ein persönliches, vertrauliches Erstgespräch.