von: Rechtsreferendar Jochen Kolterer
Gegen Altkanzler Gerhard Schröder wurde in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine eine Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestellt. Was hat es damit auf sich? Was hat Schröder jetzt zu befürchten?
Was ist juristisch mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemeint?
Der Begriff entstammt dem Völkerstrafrecht; mit § 7 VStGB ist er ins deutsche Recht übernommen worden. Diese Vorschrift enthält einen Katalog an schweren Straftaten, darunter die Tötung und Versklavung von Menschen, Folter, Vertreibung, Zwangsprostitution. Der Unterschied zu „normalen“ Verbrechen besteht in dem zusätzlichen Erfordernis, dass die Tat im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung begangen worden sein muss.
Was hat Gerhard Schröder damit zu tun?
Der Angriff Russlands auf die Ukraine richtet sich, entgegen der Darstellung gelenkter russischer Medien und staatlicher Propaganda, auch gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Damit ist der Anwendungsbereich des § 7 VStGB eröffnet. Dass dem in Hannover wohnhaften Altkanzler Schöder aber eine der konkreten Tathandlungen vorgeworfen werden kann, ist außerordentlich fernliegend. Allerdings sind gemäß § 2 VStGB die allgemeinen Regelungen des deutschen Strafrechts anwendbar. Hierzu zählt auch die Strafbarkeit von Beihilfe.
Der konkrete Inhalt der Anzeige ist auch uns nicht öffentlich bekannt. Es lässt sich jedoch mutmaßen, dass der Anzeigeerstatter in Schröders mangelnder Distanzierung von Vladimir Putin und seiner Tätigkeit für staatliche Konzerne wie Gazprom und Rosneft als Beihilfe zu im Zuge des Ukrainekriegs begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sieht.
Sind die Vorwürfe begründet?
Was die fehlende Distanzierung Schröders angeht, käme eine Beihilfe allenfalls durch Unterlassen in Betracht. Ein Unterlassen ist gemäß § 13 StGB allerdings nur dann strafbar, wenn der Täter eine rechtliche Pflicht hat, den Taterfolg zu verhindern. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er selbst die Gefahr verursacht hat, die er nun verhindern soll. Eine solche Garantenstellung ist im Falle Schröders aber nicht erkennbar, sodass die mangelnde Distanzierung straffrei sein dürfte.
Seine Tätigkeit für russische Staatskonzerne, durch die theoretisch auch der Ukrainekrieg mitfinanziert werden könnte, ist hingegen ein aktives Tun, sodass keine Garantenstellung erforderlich ist. Allerdings dürfte es sich hierbei um eine sogenannte „neutrale Handlung“ handeln, also eine Handlung, die eine Straftat fördert, ohne dass dies aber das eigentliche Ziel der Handlung ist.
Wie mit solchen Handlungen rechtlich umzugehen ist, ist umstritten. Teilweise wird gefragt, ob die Handlung „sozialadäquat“, also gesellschaftlich anerkannt ist, der Gehilfe eine den Maßstäben des Unterlassens entsprechende Garantenstellung hatte, oder die Hilfeleistung nur ihm möglich war. Die Rechtsprechung stellt auf innere Vorgänge – z.B. die Frage, wie sicher sich der Gehilfe war, dass seine Handlung eine Straftat ermöglichen würde – ab.
Nach diesen Maßstäben dürfte Schröders wirtschaftliche Tätigkeit straffrei sein. Denn inwieweit Gelder aus seiner konkreten Arbeit eingesetzt werden, um konkrete Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu finanzieren, ist für ihn genauso wenig erkennbar wie für den durchschnittlichen russischen Steuerzahler oder auch ausländische Gazprom-Kunden.
Fazit
Es gibt gute Gründe, Schröder dafür zu kritisieren, dass er seine geschäftlichen Tätigkeiten mit Russland nicht sofort einstellt und seine Stimme in diesen dramatischen Stunden nicht erhebt, um den völkerrechtswidrigen Angriff Vladimir Putins anzuprangern. Das Strafrecht ist hierfür jedoch nicht das richtige Mittel.
Gerade bei weit hergeholten Anschuldigungen lohnt es sich, frühzeitig einen Verteidiger einzuschalten, um es gar nicht erst zu einer öffentlichen Verhandlung kommen zu lassen. Egal, ob ihnen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Ladendiebstahl vorgeworfen wird – HT Defensio hilft Ihnen gerne. Wir begrüßen Sie gerne an einem unserer Standorte – in Lüneburg, Hamburg, Dortmund, Köln, Kiel, Bremen, Hannover, Lübeck oder Osnabrück.