ein Blogbeitrag von Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig und Rechtsreferendarin Aline Cordes
Die Verbreitung und der Besitz kinderpornografischer Inhalte stellen schwere Straftaten dar und können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 bzw. beim Verbreiten bis 10 Jahren geahndet werden. Erst im Jahre 2021 wurde der Straftatbestand für Kinderpornographie zu einem Verbrechen, also einem Tatbestand mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr, hochgestuft. Die Verschärfung sollte dazu dienen Kinder besser vor Missbrauch zu schützen. Nun erfolgte eine erneute Reform, die den Tatbestand entschärfte.
Kinderpornografie: Die ursprüngliche Verschärfung der Gesetzeslage
Durch das zum 01. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder wurde der Straftatbestand für Kinderpornographie verschärft. Gemäß § 184b Strafgesetzbuch stellte von da an das Verbreiten, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Inhalte ein Verbrechen dar und wurde mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bestraft. Ziel der Einführung strengerer Mindeststrafen war es, eine abschreckende Wirkung zu erzielen und den rechtlichen Rahmen für die Bekämpfung von Straftaten gegen Kinder zu stärken, um so Kinder künftig besser vor Missbrauch zu schützen.
Erneute Reform – Herabstufung zum Vergehen
Die Änderung des unteren Strafrahmens und damit einhergehende Hochstufung des Tatbestandes zu einem Verbrechen hat jedoch zu zahlreichen Problemen in der Praxis geführt. Insbesondere wurden Personen ohne jedes pädosexuelle Interesse wie „Schwerstkriminelle“ behandelt.
Am 27. Juni 2024 ist das Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b in Kraft getreten. Die wesentlichen Tathandlungen Besitz und Abruf liegen nun wieder bei 3 Monaten Mindeststrafe. Das Verbreiten bei 6 Monaten Mindestfreiheitsstrafe. Damit wurde die 2021 in Kraft getretene Heraufstufung zum Verbrechen rückgängig gemacht.
Kriminalisierung von Bagatellen
Die Praxis hat in den letzten Jahren gezeigt, dass eine erneute Reform des Tatbestandes von Nöten war, um eine tat- und schuldangemessene Reaktion im Einzelfall gewährleisten zu können. Alle Taten nach § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Strafgesetzbuch waren seit der Reform 2021 Verbrechen. Eine Regelung für minder schwere Fälle gab es nicht. Dies stellte insbesondere bei Verfahren ein Problem dar, die einen Tatverdacht am unteren Rand der Strafwürdigung zum Gegenstand hatten. Beispiel:
- Nicht gewünschter und bloß nachlässiger Besitz durch Erhalt einzelner Bilder in einer Whats-App-Gruppe
- Posing-Bilder am oberen Rand der Altersstufen
- Unbemerktes Herunterladen bei Datenpaketen
Wenn der Staat aus Helden Täter macht
Häufig sind auch Eltern zu Tätern stilisiert worden. Exemplarisch, aber real ist das Beispiel einer Mutter, die ihrem 15-jährigen Sohn das Handy wegnimmt, da er ein Nacktbild seiner dreizehnjährigen Freundin dort abgespeichert hat. Die Mutter möchte erzieherische Maßnahmen mit dem Vater eine Woche später besprechen, wenn dieser von einer Geschäftsreise zurück ist. So lange behält sie das Handy und somit auch das Bild. Der Tatbestand ist erfüllt. Bis vor kurzem sah hier das Gesetz eine zwingende Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor. Dass dies rechtsethisch, kriminologisch und verfassungsrechtlich kaum vertretbar ist, liegt auf der Hand.
Auch Lehrer:innen und Erzieher, die bei ihren Kindern oder Schülern kinderpornographisches Material auffanden und dieses weiterleiteten, um auf einen Missstand aufmerksam zu machen oder um die Verbreitung eines kinderpornographischen Inhalts aufzuklären, zu beenden oder zu verhindern, wurden von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt wie Kriminelle einschließlich entsprechender Hausdurchsuchungen.
Solchen Strafen steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. Wer ohne jedes pädosexuelle Interesse oder sogar aus einer gut gemeinten Intention, wie im Beispiel der Mutter, in den Besitz kinderpornographischen Inhalte gelangt, verdient keine Strafe, schon gar keine Freiheitsstrafe. Kernstrafzweck ist Resozialisierung, doch hier gibt es nichts zu resozialisieren. Das hat deutsche Richterbund, sogar einige, wenige Staatsanwälte und die Strafverteidigerverbände erkannt und schlussendlich auch der Gesetzgeber, der den Tatbestand nunmehr entschärft hat.
Mit der Reform bleibt eine Mindestfreiheitsstrafe von drei bzw. sechs Monaten gesetzlich verankert doch sind nun wieder flexible Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung ohne stigmatisierende öffentliche Hauptverhandlung und eben auch ohne Freiheitsstrafe möglich. Denn mit der Herabstufung vom Verbrechen zum Vergehen können Verfahren wieder wegen geringe der Schuld, gegen Zahlung einer Geldauflage abgeschlossen werden. Auch das Strafbefehlsverfahren ist wieder anwendbar.
Achtung: Die Höchststrafen sind bestehen geblieben. Die Verfolgungspraxis hat sich nicht geändert. Wird Ihnen der Besitz oder die Verbreitung von Kinderpornografie – schuldig oder unschuldig – vorgeworfen, bedarf es mehr denn je einer exzellenten Strafverteidigung.
Nur wer über Jahre lange Erfahrung und umfassendes technisches Wissen zur Metadatenanalyse bei beschlagnahmten Datenträgern verfügt und weiß, wie mildernde Aspekte richtig herausgearbeitet werden kann alle mit der Reform entstandenen Möglichkeiten für den Mandanten fruchtbar machen und so die bestmögliche Verteidigung anbieten.
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Wir können bei Vorwürfen im Kontext von Kinderpornografie nahezu ausnahmslos die Freiheit unserer Mandanten erhalten und in vielen Fällen sogar durch gut begründete schriftliche Anträge eine Gerichtsverhandlung und Bestrafung in Gänze abwenden.