von ht-strafrecht | 18. März 2025 | Defensio

Exhibitionismus als Straftat: Ist § 183 StGB noch zeitgemäß?

mann zieht shirt über den kopf schwarz weiß

ein Blogbeitrag von Rechtsreferendar Marco Schmitz

Ein einzigartiger Straftatbestand im deutschen Recht

Der § 183 StGB – Exhibitionistische Handlungen – ist eine Besonderheit im deutschen Strafrecht. Denn er kann ausschließlich von Männern verwirklicht werden. Diese Einschränkung wirft grundlegende Fragen auf: Warum wurde diese Regelung so festgelegt? Ist sie mit dem Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) vereinbar? Und wie wird der Begriff „Mann“ im Sinne der Norm ausgelegt?

Ein aktueller Fall, bei dem eine Frau wegen Exhibitionismus vor Gericht steht, könnte für neue Diskussionen sorgen. In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Hintergründe und die aktuelle Relevanz der Norm.

 

Warum können sich nur Männer wegen Exhibitionismus strafbar machen?

Ursprünglich enthielt das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 keine geschlechtsspezifische Beschränkung für exhibitionistische Handlungen. Erst in den 1970er Jahren wurde der Straftatbestand so verändert, dass nur Männer sich nach § 183 StGB strafbar machen können. Die Begründung lautete, dass exhibitionistische Handlungen durch Frauen „extrem selten“ seien und keine vergleichbare psychologische Wirkung hätten wie bei Männern.

Der damalige Sonderausschuss für die Strafrechtsreform stellte in einem Bericht klar:

„Entsprechende Handlungen von Frauen kommen in sehr seltenen Fällen vor, haben aber – unabhängig davon, ob sie gegenüber Männern oder Frauen geschehen – nicht die typischen negativen Auswirkungen, die exhibitionistische Handlungen eines Mannes haben.“ (BT-Drs. VI/3521, S. 53)

Diese historische Argumentation zeigt, dass der Gesetzgeber die psychologischen Effekte auf Opfer als maßgeblich für die Strafbarkeit ansah. Doch ist diese Begründung nach heutigen Maßstäben noch haltbar?

 

Ist § 183 StGB verfassungsgemäß?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich bereits mit der Frage befasst, ob die einseitige Anwendung des § 183 StGB auf Männer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Im Jahr 1999 entschied das Gericht (BVerfG, Beschluss vom 22.03.1999 – 2 BvR 398/99), dass die Regelung aufgrund gesellschaftlicher und biologischer Unterschiede zwischen Männern und Frauen verfassungsgemäß sei.

Allerdings hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Geschlechterrollen in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt. Während das BVerfG damals keine Bedenken äußerte, könnte ein erneuter rechtlicher Prüfungsprozess heute anders ausfallen.

 

Was bedeutet „Mann“ im Sinne des § 183 StGB?

Weder die Rechtsprechung noch die juristische Literatur haben bislang eindeutig definiert, was genau unter dem Begriff „Mann“ in § 183 StGB zu verstehen ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat lediglich festgelegt, dass exhibitionistische Handlungen durch das Vorzeigen des entblößten männlichen Glieds zum Zweck sexueller Erregung erfolgen müssen. Demnach ist klar:

  • Das Zeigen eines künstlichen Penis fällt nicht unter den Straftatbestand.
  • Täter kann nur eine Person sein, die über männliche primäre Geschlechtsmerkmale verfügt.

Doch was passiert, wenn eine Person rechtlich als Frau anerkannt ist, biologisch aber noch männliche Geschlechtsmerkmale besitzt?

 

Aktueller Fall: Eine Frau wegen Exhibitionismus angeklagt?

Ein brisanter Fall beschäftigt derzeit die Justiz: Eine Person, die als Mann aufgewachsen ist, nach einer Hormontherapie und Brust-OP aber offiziell als Frau registriert ist, steht wegen Exhibitionismus vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, sich in einer Bahn vor zwei Frauen entblößt und ihren Penis gezeigt zu haben. Das Gericht muss nun entscheiden:

  1. Genügt das bloße Vorhandensein eines Penis für eine Verurteilung?
  2. Oder ist zusätzlich ein männlicher Geschlechtseintrag erforderlich?

Diese Entscheidung könnte weitreichende Konsequenzen für die Auslegung des § 183 StGB und für Transpersonen im Strafrecht haben.

 

Mögliche Rechtsauslegung: Personenstandsrecht vs. Biologische Definition

können:

1. Personenstandsrechtliche Auslegung:

    • Wenn der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister maßgeblich ist, können Menschen mit weiblichem Geschlechtseintrag nicht Täter des § 183 StGB sein – selbst wenn sie männliche Geschlechtsmerkmale haben.

2. Biologische Auslegung:

    • Falls das Strafrecht den Begriff „Mann“ unabhängig vom Personenstandsrecht definiert, würde die biologische Geschlechtszuordnung entscheidend sein. Das bedeutet, dass eine Person mit männlichen Geschlechtsmerkmalen strafbar sein könnte, auch wenn sie rechtlich als Frau anerkannt ist.

Da das Strafrecht oft eigene Definitionen von Begriffen entwickelt, ist eine biologische Auslegung nicht unwahrscheinlich. Allerdings steht eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch aus.

 

Fazit: Braucht § 183 StGB eine Reform?

Der Exhibitionismus-Paragraph ist ein juristisches Relikt aus einer Zeit, in der gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität noch andere waren. Der aktuelle Fall könnte den Anstoß für eine längst überfällige Reform geben.

Denkbar wäre entweder:
– Eine Anpassung des § 183 StGB, sodass der Straftatbestand geschlechtsneutral formuliert wird.
– Eine vollständige Abschaffung der Norm, falls exhibitionistische Handlungen auch durch andere Vorschriften strafrechtlich ausreichend erfasst sind.

Der Ausgang des aktuellen Prozesses könnte dazu beitragen, dass der Gesetzgeber den Tatbestand neu bewertet.

 

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