von: Rechtsreferendarin Marleen Gutsche
Im April 2022 fing sich der Comedian Oliver Pocher bei einer Sportveranstaltung von dem Komiker Fat Comedy vor laufender Kamera eine schallende Ohrfeige ein. Das Video ging innerhalb kürzester Zeit viral und löste hitzige Debatten aus. Reflexartig, so wie immer, wurden Forderungen nach härteren Strafen im deutschen Strafrecht laut. Einige Kommentatoren befürchteten gar Strafbarkeitslücken. Der Begriff „Happy Slapping“ hatte Einzug gehalten in den öffentlichen Diskurs. In zahlreichen journalistischen Texten wurde der neue Trend debattiert, vor allem aber in den sozialen Netzwerken.
Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Handelt es sich um ein neues gesellschaftliches Phänomen? Wie verhält es sich mit der Strafbarkeit? Findet sich gar die befürchtete Gesetzeslücke im deutschen Strafrecht, die die Einführung eines „Happy-Slapping-Paragrafen“ rechtfertigen könnte?
Der Begriff „Happy Slapping“
Als „Happy Slapping“ – englisch etwa für „fröhliches Schlagen“ – wird ein überraschender Angriff auf Personen bezeichnet, der live aufgezeichnet und anschließend im World Wide Web veröffentlicht wird. Die einem breiten Publikum zur Schau gestellten verdutzten Reaktionen der Betroffenen sollen diese erniedrigen und bloßstellen.
Handelt es sich um ein neues Phänomen?
Gänzlich unbekannt ist das Phänomen nicht. Erstmals tauchte der Trend 2004 in England auf. Dort griffen jugendliche Horden wahllos Passanten auf der Straße an und verbreiteten die überraschten bis empörten Reaktionen auf den Schabernack über die sozialen Netzwerke. Hierzulande findet „Happy Slapping“ in Schulen statt.
Strafbarkeit?
Klassischerweise geht „Happy Slapping“ mit einer Ohrfeige aus dem Nichts einher. Strafrechtlich liegt dann eine üble und unangemessene Behandlung im Sinne des § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), eine Körperverletzung, vor. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit wegen Beleidigung mittels einer Tätlichkeit in Betracht, § 185 StGB.
Doch auch das Filmen und anschließende Veröffentlichen ist strafbewehrt. So ist an eine Strafbarkeit wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 StGB zu denken. Daran könnte sich ein Verstoß gegen § 33 Kunsturhebergesetz (KUG) anschließen, wonach die Zurschaustellung eines Bildnisses einer Person ohne deren Einwilligung unter Strafe steht. In Betracht käme ferner § 131 StGB, die Gewaltdarstellung, welche ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für gewaltdarstellende Schriften – diesem antiquierten Begriff unterfallen im Zeitalter des Internets auch digitale Inhalte jedweder Art – enthält.
Gibt es nun eine Gesetzeslücke im deutschen Strafrecht?
Diese Frage kann eindeutig beantwortet werden: Nein!
Das „Happy Slapping“ ist bereits nach derzeit geltendem Recht – zumindest als Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB – strafbar. Auf der Ebene der Strafzumessung können alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. So etwa, ob eine Tat hinterhältig war, welchen (Image-) Schaden sie herbeigeführt hat oder ob ihr eventuell sogar eine politische oder meinungsäußernde Konnotation innegewohnt haben könnte. Der Gesetzgeber hat also bereits alle rechtlichen Möglichkeiten dazu, um auf dieses Phänomen angemessen reagieren zu können. Die Forderungen nach einer Verschärfung oder gar Ergänzung unseres diesbezüglichen Strafrechtskatalogs, gar die Einführung eines „Happy-Slapping-Paragrafen“, erweisen sich vor dem Hintergrund als unbegründet. Sie vermitteln vielmehr die Besorgnis, das scharfe Schwert des Strafrechts würde zum Gegenstand bloßer Symbolpolitik gemacht.
Fazit
Wegen des Phänomens „Happy Slapping“ braucht unser gutes altes Strafgesetzbuch sicher nicht neu geschrieben werden. Ein falsches Signal wird immer dann gesetzt, wenn der Gesetzgeber in Aktionismus verfällt. Häufig kommt es vor, dass sich Politiker über die Forderung nach neuen Straftatbeständen und einer Verschärfung des Strafrechts profilieren und „Stärke“ zeigen wollen. Vielfach wird bei solchen Impulsen die Frage ausgeklammert, ob eine härtere Bestrafung oder die Schaffung neuer Straftatbestände tatsächlich dazu geeignet sind, unliebsame Entwicklungen aufzuhalten oder die Zeit zurückzudrehen. Meist ist das weder nötig noch erforderlich.
Wurde auch Ihnen der Vorwurf einer Körperverletzung oder eines anderen Delikts gemacht? Haben Sie sich einen Spaß erlaubt und es dabei zu weit getrieben? Dann zögern Sie nicht und kontaktieren Sie Fachanwalt für Strafrecht Dr. Jonas Hennig und sein Team. H/T-Defensio hilft Ihnen gerne. Wir freuen uns, Sie an einem unserer Standorte – in Lüneburg, Hamburg, Dortmund, Köln, Münster, Kiel, Bremen, Hannover, Lübeck oder Osnabrück – begrüßen zu dürfen.