von ht-strafrecht | 06. September 2022 | Defensio

Warum die Legalisierung von Cannabis am Völker- und Europarecht scheitern könnte

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ein Beitrag von Rechtsreferendar Matthäus Gillner

 

Zwischen Corona-Krise und Ukraine-Krieg bleibt eine wichtige Reform der Ampel-Koalition weitestgehend unbeachtet: die Legalisierung von Cannabis. Welche völkerrechtlichen Hürden stehen der Liberalisierung im Weg? Lassen Staatsanwaltschaften und Gerichte bereits größere Milde walten in Verfahren mit Cannabis-Bezug? 

„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Mit dieser Ankündigung haben die Regierungsparteien im gültigen Koalitionsvertrag Ende 2021 einen ersten Schritt in Richtung Legalisierung von Cannabis gewagt.

Dabei ist es nicht geblieben, der andauernden Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Trotz. Gesundheitsminister Lauterbach setzt das Gesetzesvorhaben bereits um. Die staatlich überwachte Abgabe von Cannabis soll dem Jugendschutz dienen, aber auch rechtspolitische Erwägungen spielen eine Rolle: die Entkriminalisierung einer inzwischen gesellschaftlich akzeptierten weichen Droge soll Staatsanwaltschaften und Gerichte entlasten. Zugleich freut Finanzminister Lindner sich auf neue Steuereinnahmen. Eine bedingungslose Legalisierung verspricht der Koalitionsvertrag hingegen nicht.

 

Sorge vor einer zweiten PKW – Maut: der EuGH könnte die Legalisierung schnell kassieren

Wer sich nicht näher mit der Materie beschäftigt, empfiehlt eine Legalisierung nach dem Vorbild der Niederlande. Dort ist der Verkauf von Cannabis aber auch psilocybinhaltigen Pilzen erlaubt, so genannten Magic Mushrooms. In den berühmten Coffee-Shops bewegen diese Drogen sich legal und kontrolliert über die Ladentische als handelte es sich um Alltäglichkeiten wie Tabak, Schuhcreme oder Milch.

Der Haken: Zwar ist dem Endverbraucher der Kauf für den Eigenkonsum nach niederländischem Recht erlaubt, der Kauf durch das Unternehmen zum Weiterverkauf ist aber verboten. Die Polizei und Justiz schauen in den Niederlanden einfach weg und ignorieren das Problem. Die Besitzer der Coffee-Shops operieren beim Einkauf ihrer Ware in der Illegalität. Das wäre auch hierzulande im Falle einer Legalisierung so.

Grund sind völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands, namentlich das Schengen-Abkommen sowie ein UN-Abkommen zur Ausrottung psychotroper Substanzen. Selbst wenn der Staat den Anbau, die Produktion und Vermarktung komplett übernehmen würde, stellte diese – im Falle der nicht-medizinischen Abgabe von Cannabis – einen Verstoß gegen Völkerrecht dar. Der Europäische Gerichtshof könnte das Legalisierungs-Gesetz kassieren, wie die PKW-Maut.

 

Was sind denkbare Wege aus dem Dilemma?

Diskutiert wird, dass Deutschland sich aus seiner völkerrechtlichen Verpflichtung mit einem Trick entzieht: Es könnte aus den genannten Abkommen austreten, die Legalisierung umsetzen und den Verträgen unter der Bedingung wieder eintreten, dass Cannabis aus dem Katalog der in dem Abkommen geächteten Substanzen ausgenommen werde. Bolivien ist so vorgegangen, im Hinblick auf die Koka-Blätter, deren Verzehr zu einer Tradition des Landes gehört.

Ferner wäre ein Vorgehen nach portugiesischem Vorbild denkbar. Dort stellen der Besitz von bis zu 25 Gramm Marihuana, zehn Ecstasy-Pillen, zwei Gramm Kokain und einem Gramm Heroin lediglich Ordnungswidrigkeiten dar. Erst über diesen Grenzwerten wird ein auch in Portugal verbotenes Handeltreiben angenommen. Dieser Ansatz stünde zwar im Einklang mit dem Völkerrecht. Die im Koalitionsvertrag versprochene Liberalisierung von Cannabis wäre dies aber nicht. Der Staat könnte keine Qualitätskontrollen vornehmen, es dürfte kein Handel getrieben und damit natürlich auch keine Steuereinnahmen generiert werden.

Wie die Regierung das Dilemma lösen wird, zeichnet sich noch nicht ab. Ein milliardenschweres Debakel wie bei der PKW-Maut, soviel dürfte aber bereits klar sein, kann niemand wollen.

 

Wirkt sich die geplante Liberalisierung bereits jetzt auf die Justiz aus?

Inwieweit eine Staatsanwaltschaft dazu bereit ist, ein Strafverfahren einzustellen, hängt auch mit der gesellschaftlichen Akzeptanz eines unter Strafe stehenden Verhaltens zusammen. Ein Gesetzgebungsvorhaben wie die Legalisierung von Cannabis ist ein klarer Indikator dafür, dass breite Teile unserer Gesellschaft den Besitz von Cannabis nicht mehr als strafwürdig ansehen.

In unseren Schutzschriften und Plädoyers in Fällen mit einem Cannabis-Bezug werfen wir diese Erwägungen für Sie genauso in die Waagschale wie wissenschaftliche Statistiken, die unsere Auffassung belegen, dass eine Liberalisierung von Cannabis lange überfällig ist. Unserer Erfahrung nach sind die meisten Staatsanwaltschaften und Gerichte aber eher zurückhaltend damit, diese Erwägungen in die Strafzumessung im engeren Sinne einzubeziehen.

Sollten gegen Sie sich einem Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ausgesetzt sehen, zögern Sie bitte nicht uns zu kontaktieren: Wir von H/T Defensio sind auf das Betäubungsmittelrecht spezialisiert und stehen Ihnen als verlässliche Ansprechpartner zur Seite. Vereinbaren Sie unkomplizierten einen Online-Termin oder kommen Sie uns besuchen an einem unserer Standorte in Hamburg, Lüneburg, Kiel, Lübeck, Bremen, Hannover, Osnabrück, Dortmund, Köln oder Münster.