von ht-strafrecht | 16. August 2022 | Defensio

Kürzere Ersatzfreiheitsstrafen – ein Schritt in die richtige Richtung

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ein Beitrag von Rechtsreferendarin Alida Pogge

 

Wenn es nach dem Willen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geht, soll der Bundestag bereits im Herbst über eine Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems abstimmen. Im Zentrum der Reform steht eine äußerst umstrittene Sanktion: die so genannte Ersatzfreiheitsstrafe. Was hat es damit auf sich?

 

Wer eine Ersatzfreiheitsstrafe antritt, wurde nie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, sondern zu einer Geldstrafe. In Fällen allerdings, in denen die Geldstrafe nicht vollstreckt werden kann, weil es an der dafür nötigen finanziellen Liquidität fehlt, tritt an die Stelle der Geld- eine Freiheitsstrafe. Schätzungen gehen davon aus, dass es sich bei rund der Hälfte aller im letzten Jahr erfolgten Haftantritte um Ersatzfreiheitsstrafen handelte.

 

Status quo – Verhältnis 1:1

Bisher sieht die Regelung des § 43 StGB vor, dass an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe die Freiheitsstrafe tritt. Die jeweilige Höhe des Tagessatzes hängt von der Höhe des Nettoeinkommens ab. § 43 StGB kommt zum Tragen, wenn Personen, ihre Geldstrafe, zu der sie verurteilt wurden, nicht zahlen wollen oder können. Aufgrund des Nichtzahlens der Geldstrafe ist diese für den Staat uneinbringlich, und nach einer zweiwöchigen Schonfrist ordnet die Vollstreckungsbehörde die Ersatzfreiheitsstrafe an. Vollstreckbar ist bereits ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe, vgl. § 43 S. 3 StPO. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist kein bloßes Beugemittel, um die Zahlung durchzusetzen, wie beispielsweise die Erzwingungshaft, sondern eine echte Strafe. Dabei entspricht einem Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe.

 

Was ist neu? Verhältnis 1:2

Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafen halbiert werden soll, mithin ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr einem, sondern zwei Tagessätzen entsprechen soll. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) geht noch weiter und fordert eine komplette Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen, in seinem Statement vom 05.07.2022 hat er Ersatzfreiheitsstrafen für nicht mehr zeitgemäß erklärt.

 

Was sind die Hauptkritikpunkte an Ersatzfreiheitsstrafen?

Die Ersatzfreiheitsstrafe ist seit jeher umstritten. Von den einen wird sie als „Rückgrat“ einer jeden Geldstrafe bezeichnet. Geldstrafen hätten keine abschreckende Wirkung mehr, wenn man sich ihnen mit Verweis auf die eigene Mittellosigkeit entziehen könnte. Kritiker sehen in ihr eine Ungerechtigkeit: Während gut Betuchte einfach ihre Tagessätze an die Staatskasse überweisen könnten, würden Mittellose weitaus härter, nämlich mit dem Entzug ihrer Freiheit bestraft. Aufgrund all jener mit dem Strafvollzug einhergehenden Nachteile wie Jobverlust, Trennung von Familie und Kindern, gesellschaftliche Stigmatisierung sei jedenfalls eine Umrechnung im Verhältnis 1:1 ungerecht.

Tatsächlich sind zumeist Personen von der Ersatzfreiheitsstrafe betroffen, die wegen kleinerer Diebstähle oder Betrügereien verurteilt wurden. Statistiken belegen: Rund einem Viertel der Betroffenen wurde Erschleichung von Beförderungsleistungen zur Last gelegt. Diejenigen, die von der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe betroffen sind, sind meistens zahlungsunfähig in Folge von Suchtkonflikten, Krankheit oder finanzieller Not. Das Strafrecht hat aber nicht die Aufgabe, Armut oder soziale Ausgrenzung zu bestrafen. Art und Umfang einer Strafe hat sich vielmehr allein daran zu orientieren, inwieweit sie ein gerechter Schuldausgleich ist für die zu ahndende Tat.

 

Welche Ziele verfolgt nun die Reform?

Die Reform verfolgt im Wesentlichen zwei Aspekte: Einsparung unnötiger Kosten sowie eine Eindämmung der oftmals katastrophalen sozialen Auswirkungen von Ersatzfreiheitsstrafen auf die Betroffenen.

  • Effiziente Einsparung von Haftkosten

Nach Berechnungen des Bundesjustizministeriums kostete im Jahr 2019 ein belegter Strafplatz etwa 119 Euro pro Tag. Eine Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafendauer käme also der Staatskasse zugute.

  • Verhinderung von weiterem „sozialen Abrutschen“

Gegen nicht Wenige ergeht die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht nur einmalig, sondern wiederholt. Denn diejenigen, die betroffen sind, befinden sich oftmals in einer Spirale aus Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und Existenzsorgen. Da eine kurze Ersatzfreiheits­strafe zumeist zu kurz für Resozialisierungsmaßnahmen, aber lang genug dafür ist, um die Betroffenen aus ihren Jobs und ihrem Alltag herauszureißen, wird sie als besonders schädlich angesehen.

 

Haben Sie noch Fragen oder brauchen Sie einen anwaltlichen Rat?

Die Strafvollstreckung steht ganz am Ende eines Strafverfahrens. Damit es gar nicht erst soweit kommt, sollten Sie möglichst frühzeitig eine auf Strafverteidigung spezialisierte Kanzlei mandatieren, am besten bereits im Ermittlungsverfahren. Zögern Sie daher bitte nicht, Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig und sein Team zu kontaktieren.  H/T-Defensio steht Ihnen als verlässlicher Ansprechpartner an unseren Standorten in Hamburg, Dortmund, Köln, Münster, Kiel, Bremen, Hannover, Lübeck und Osnabrück – oder auch online – zur Verfügung.