In einem Urteil vom 16.08.2018 – 4 StR 162/18 hat der BGH die Anforderungen, die an die Todesgefahr bei besonders schwerer Brandstiftung zu stellen sind, konkretisiert. Die konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen liegt demnach vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinausgeht und bezüglich eines bestimmten Vorgangs in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut führt. Der BGH spezifiziert nun die Situation dahingehend, dass die Sicherheit einer bestimmten Person im Sinne einer „hochgradigen Existenzkrise“ stark beeinträchtigt sein muss. Die Rechtsgutsverletzung dürfe nur noch vom Zufall abhängen.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Beziehungstat, der im selben Wohnhaus lebende Angeklagte legte vor der Wohnungstür seiner ehemaligen Lebensgefährtin und den beiden kleinen gemeinsamen Kindern einen Brand unter Zuhilfenahme einer Kiste Kleidung. Die Tötung der drei Personen nahm er laut den Feststellungen des Landgerichts billigend in Kauf. Er rechnete mit der Ausbreitung des Feuers auf das Wohnhaus. Die ehemalige Lebensgefährtin ließ ihre Kinder und dann sich selbst in eine von Helfern vor dem Wohnzimmerfenster ausgebreitete Decke fallen. Sie wurden mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung in eine Klinik gebracht. Der Brand verursachte Sachschäden in Höhe von deutlich über 400.000 €.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wurde der Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung schuldig ist.
Lediglich Versuch der besonders schweren Brandstiftung – keine „hochgradige Existenzkrise“
Nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB wird wegen besonders schwerer Brandstiftung bestraft, wer bei einer schweren Brandstiftung einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. Wann eine solche Gefahr vorliegt, unterliegt laut BGH keiner exakten wissenschaftlichen Umschreibung. Allein eine enge räumliche Nähe zur Gefahrenquelle genüge dabei jedoch nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr. Ein unbeteiligter Beobachter müsse zu der Einschätzung gelangen, dass „das noch einmal gut gegangen sei“. Der BGH spricht nun – in Anlehnung zu § 315c StGB – von einer „hochgradigen Existenzkrise“. Eine solche habe jedoch in dem Fall nicht vorgelegen. Die Wohnstube war im Zeitpunkt der Rettung „vom Brandgeschehen noch nicht unmittelbar betroffen“. Es läge jedoch der Versuch der besonders schweren Brandstiftung vor – der Angeklagte habe damit gerechnet, dass Frau B. und die beiden Kinder zu Tode hätten kommen können.
Der zur Entscheidung berufene Tatrichter werde sich laut BGH im Rahmen der erneuten Strafzumessung auch mit einer vom Tatplan des Angeklagten umfassten heimtückischen Tötung – neben einer solchen mit gemeingefährlichen Mitteln – befassen müssen. Das Landgericht hatte Heimtücke verneint, weil die ehemalige Lebensgefährtin innerhalb der Zeit nach der Trennung in der ständigen Angst vor tätlichen Angriffen des Angeklagten gelebt habe. Jedoch sei eine derart latente Angst des Opfers nicht entscheidend, sondern ob es im Tatzeitpunkt mit einem Angriff gegen die körperliche Unversehrtheit gerechnet habe. Daher müsse das LG diese Voraussetzungen prüfen.
Inwiefern dabei vom BGH aus dem Verkehrsstrafrecht herangezogene Begriff der „hochgradigen Existenzkrise“ eine Abgrenzung zwischen abstrakter und konkreter Gefahr ermöglichen soll, bleibt eher fraglich. Nicht nur sprachlich ist dieses Konstrukt unschön, auch rechtlich nicht besonders zielführend. Zutreffend bemerkt etwa Dr. Lorenz Leitmeier (NJW 2018, 3398, 3400), dass es fragwürdig erscheint, ob „es bei Krisen, die an die Existenz rühren, noch graduelle Abstufungen geben“ kann. Bei dem Wort der „Existenzkrise“ handle es sich vielmehr um eine „Wertung“, die sich für „subjektive Vorstellungen“ öffnet und den „Anwendungsbereich der konkreten Gefahr zu stark einschränkt zugunsten der abstrakten Gefahr“. Ob der BGH an dieser Definition festhalten wird, bleibt abzuwarten.
Ein Beitrag von Rechtsreferendarin Carla Kohl