1. November 2018

Härte in München, Milde in Kiel? – Studie beweist Regionale Unterschiede bei der Strafhärte in Deutschland

„Zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Gilt dies auch hinsichtlich der zu erwartenden Strafe in deutschen Gerichtssälen? Dieser Frage ging Forscher Volker Grundies, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, in seiner empirischen Analyse nach und verglich dabei 1,5 Millionen amts- und landgerichtliche Entscheidungen in ganz Deutschland.

Das Ergebnis der Untersuchung: In Hessen und Bayern werden im Schnitt wesentlich höhere Strafen verhängt als in den Regionen Schleswig-Holstein und Baden.

Das Ausmaß vermeintlich geringer Unterschiede wird insbesondere bei schweren Delikten deutlich: Die durchschnittliche Strafe für einen Raub gem. § 249 I StGB hierfür beträgt zwei Jahre und zwei Monate. Während in Koblenz durchschnittlich zwei Jahre und fünf Monate verhängt werden, sind es in Kiel durchschnittlich „nur“ ein Jahr und elf Monate.

Dies ist besonders eindrucksvoll, wenn man sich § 56 II StGB vor Augen geführt wird: Eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung ist nämlich nur bei einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren möglich. Auch bei der Häufigkeit der Strafaussetzung zur Bewährung, wurde festgestellt, dass diese Möglichkeit vor allem von Gerichten in nördlicheren Regionen in Anspruch genommen wird.

 

Grund für regionale Unterschiede: „Vererbung regionaler Traditionen“

 

Grundies führt die regionalen Unterschiede vor allem darauf zurück, dass Richter vor allem Urteile aus ihrer Umgebung kennen würden. So komme über die Zeit eine „Vererbung regionaler Traditionen“ zustande.

Die härtesten Richter sitzen laut der Studie übrigens – wenig überraschend – in München. So sind die Strafen im Gerichtsbezirk München I um 24 Prozent härter als im Durchschnitt.

 

Kein erkennbarer Zusammenhang zwischen höhe der Strafen und Anzahl begangener Straftaten

 

Im Übrigen lässt sich mithilfe der Studie auch das Stammtisch-Argument „Wir brauchen härtere Strafen, um die Kriminalität einzudämmen“ widerlegen: Gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik zählt Baden-Württemberg, also das Land, dessen Gerichte laut Grundies besonders milde Strafen aussprechen, zu den Ländern mit der niedrigsten Häufigkeitszahl für Straftaten pro Einwohner. Dagegen werden in der Großstadt Berlin, wo eher höhere Strafen ausgesprochen werden, mit Abstand die meisten Straftaten pro Einwohner begangen.

 

Ein Beitrag von Alexander Schlüter