3. Oktober 2018

Der Beschleunigungsgrundsatz bei der Untersuchungshaft – erneut erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft als die Entziehung der Freiheit des Beschuldigten zur Prozesssicherung greift regelmäßig mit schwerwiegenden Folgen in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auf persönliche Freiheit ein. Die Untersuchungshaft stellt im Strafverfahren den intensivsten Grundrechtseingriff zu Lasten einer nicht rechtskräftig verurteilten Person dar. Wegen der Unschuldsvermutung ist die Inhaftierung eines lediglich einer Straftat Verdächtigen nur zulässig, wenn ein dringender Tatverdacht sowie ein Haftgrund vorliegen und die Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis steht.

In einem aktuellen Beschluss vom 01.08.2018 hat das Bundesverfassungsgericht nun erneut festgestellt und damit innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal wiederholt – zuletzt war eine ähnliche Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 11.06.2018 erfolgreich, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen müssen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Dieser Beschleunigungsgrundsatz gilt auch für das Zwischenverfahren, also den Teil des Erkenntnisverfahrens, der zwischen dem Eingang der Anklage bei Gericht und der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens liegt.

So hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass auch in diesem Stadium das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit gefördert werden muss, um im Regelfall innerhalb von drei Monaten nach Beschluss über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung mit der Hauptverhandlung zu beginnen. Besonders bedeutsam ist die vorliegende Entscheidung als sie erneut herausstellt, dass die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden kann, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben, sondern vermeidbar sind, verursacht ist.

Diesen Grundsätzen entsprechend betont das Gericht erneut die erhöhte Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen. Dies ist besonders zu begrüßen als im konkreten Fall, in welchem wohl eine Terminierung noch nicht möglich war, weil noch Termine abgestimmt werden und ein geeigneter Sitzungssaal gesucht werden mussten, das Gericht das Zwischenverfahren dennoch abschließen muss. Dem Gesichtspunkt der Praktikabilität kommt insofern kein Gewicht zu.

Diese erfreuliche Entscheidung stärkt die Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren. In dem Beschluss im Juni wurde zuletzt klargestellt, dass das Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt wird, wenn der Staat seiner Pflicht zur rechtzeitigen verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nicht genügt und die Justiz mit zu wenig Personal ausstattet. Gerade angesichts dessen wird die Möglichkeit einer überlangen Untersuchungshaft weiter eingeschränkt.

 

Ein Beitrag von Rechtsreferendarin Carla Kohl