In der Folge des viel diskutierten „Raserurteils“ des Bundesgerichtshofes (BGH) ist nicht nur unter Strafrechtlern eine hitzige Debatte entflammt. Kernpunkt der Diskussion ist die Frage, ob der Eventualvorsatz abgeschafft gehört.
Strafrecht in Deutschland unterscheidet zwischen mehreren Vorsatzformen
Das deutsche Recht kennt drei Formen des Vorsatzes.
Zum einen den dolus directus 1. Grades („Absicht“). Dieser ist der zielgerichtete Wille, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Die Tatbestandsverwirklichung ist das „Ziel“ des Täters.
Daneben gibt es den dolus directus 2. Grades („direkter Vorsatz“). Hier hat der Täter das Wissen, dass das eigene Handeln zur Verwirklichung des Tatbestands führt. Die Tatbestandsverwirklichung ist jedoch nicht notwendig primäres Ziel seines Handelns.
Die dritte Form des Vorsatzes ist der viel diskutierte dolus eventualis („Eventualvorsatz“). Dieser liegt vor, wenn der Täter den Taterfolg ernsthaft für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt.
Am 1. März dieses Jahres hat der BGH Strafurteile aufgehoben, die illegale Autorennen mit tödlichen Folgen für Unbeteiligte zum Gegenstand hatten. Zu entscheiden war, ob der Fahrer mit Eventualvorsatz getötet hat. Falls ja, sieht das Gesetz eine langjährige, bei Mord sogar lebenslange Freiheitsstrafe vor. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung führt dagegen zu einer sehr viel milderen Strafe. Die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist deshalb von zentraler Bedeutung.
Im Anschluss an das „Raserurteil“ wurden Stimmen laut, der Eventualvorsatz gehöre abgeschafft. Ansatzpunkt ist, dass die Grenze zwischen Eventualvorsatz („Na wenn schon“) und bewusster Fahrlässigkeit („Es wird schon gut gehen“) nur schwerlich trennscharf definierbar ist. Angelehnt an das angloamerikanische Rechtssystem, wird die Einführung einer neuen Kategorie der „recklessness“ diskutiert. Diese lässt sich am besten mit dem Begriff der Leichtfertigkeit oder des Leichtsinns übersetzen. Diese verzichtet auf ein voluntatives Element und soll sich – was die Strafandrohung anbelangt – unterhalb der Schwelle des Eventualvorsatzes, aber oberhalb der Fahrlässigkeitsschwelle bewegen.
Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass es sich um ein Problem handelt, dass nur in wenigen Ausnahmefällen zu wirklichen Schwierigkeiten führt. Es seien mittlerweile relativ verlässliche Kriterien zur Abgrenzung gefunden worden.
Gegen die Abschaffung des Eventualvorsatzes und die Einführung der Kategorie der Leichtfertigkeit wird weiterhin der Wortlaut des § 15 StGB vorgebracht. Die Vorschrift ordnet an, dass nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Deswegen muss strafbares Handeln zwingend nach Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden werden.
Ein Beitrag von Rechtsreferendar David Hölldobler
Kommentar von Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig:
Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber auf die aktuelle Diskussion reagieren wird. Mit Blick auf die letzte, weitgehend unausgereifte, Strafrechtsreform aus dem Jahr 2017 ist zu hoffen, dass keine vorschnellen Entscheidungen getroffen werden. Strafrecht ist und bleibt ultima ratio. Die Verschärfung des Strafrechts und das Herabsetzen der Schwelle zum strafbaren Handeln ist keine Lösung zur Behebung von Abgrenzungsproblemen.