Der Lügendetektor (Polygraph) als Indiz zur Wahrheitsfindung im Strafprozess
(AG Bautzen, Urteil vom 26.03.2013, 40 Ls 330 Js 6351/12)
Aussage-gegen-Aussage-Situation in Sexualstrafverfahren typisch
Die belastende Aussage eines Zeugen steht gegen die bestreitende Aussage des Anklagten. Insbesondere in Sexualstrafverfahren ist diese Beweissituation, in der „Aussage gegen Aussage“ stehen und zur Klärung des Sachverhalts keine weiteren Beweismittel vorhanden sind, typisch.
Manche Gerichte versuchen hier das „Dunkelfeld“ mit Glaubwürdigkeitsgutachten zu erhellen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein „zusätzliches Indiz“ für die Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit einer Aussage sein können, also nicht alles entscheidend sind. Die Entscheidung, welcher Aussage das Gericht folgt, hängt von einer umfassenden Gesamtwürdigung ab.
Entscheidend ist die sogenannte Null-Hypothese des Bundesgerichtshofes, nach der als Ausfluss von „in dubio pro reo“ zunächst von der Unglaubhaftigkeit der Belastungsaussage auszugehen ist. Allerdings wird nun die Belastungsaussage geprüft – wird diese für glaubhaft erachtet, kann die Null-Hypothese widerlegt sein und es kommt zur Anklage bzw. zur Verurteilung. „Aussage gegen Aussage“ führt daher mitnichten stets zu einem Freispruch oder Einstellung.
Lügendetektoren einsetzbar?
Im Rahmen der Glaubhaftigkeitsanalyse wird immer wieder der Einsatz von Polygraphen, also Lügendetektoren, diskutiert.
Der BGH hat sich bereits im Jahre 1954 zu dieser Frage geäußert. Mit Urteil vom 16.02.1954, 1 StR 578/53, verbot er den Polygraphen auch für den Fall, dass der Angeklagte dem Test zustimmt. Nach Ansicht des Gerichts verletze ein solcher Test den Angeklagten in seiner Menschenwürde, da sie ihn zum „Objekt“ mache.
Auch 40 Jahre später blieb der BGH (Urteil vom 17.12.1998, 1 StR 156/98) bei der Ablehnung des Kontrollfragentests. Zwar teilten die Richter im Jahr 1998 die Bedenken aus 1954 nicht mehr, wonach der Test gegen die Menschenwürde verstoße. Allerdings kam man in Karlsruhe nach Anhörung einiger Experten zu dem Ergebnis, dass der Test unzuverlässig sei und keine Indizien dafür liefere, ob eine Aussage glaubhaft sei oder nicht. Auch im Jahr 2010 betrachtete der BGH den Polygraphen noch nicht als geeignetes Beweismittel, auch dann nicht, wenn derjenige, der ihn auswertet, als Sachverständiger angehört wird (Beschl. vom 30.11.2010, 1StR 509/10).
Aktuell wurde im Dezember 2017 im sogenannten „Linklaters-Verfahren“ vor dem Landgericht München (19 KLs 451 Js115945/15) von der Verteidigung die Zulassung eines „Polygraphen-Test“ beantragt. In ihrem Antrag verwiesen die Anwälte auf das Urteil des AG Bautzen, das das entlastende Ergebnis einer polygraphischen Untersuchung als Indiztatsache auch in Strafverfahren für verwertbar hält. Mit ihrem Antrag drang die Verteidigung jedoch nicht durch. Das Verfahren ist mittlerweile abgeschlossen und endete am 09.02.2018 mit einer Verurteilung (drei Jahre und drei Monate) wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung ist folglich nicht damit zu rechnen, dass der „Polygraphen-Test“ als Mittel der Strafverteidigung oder auch der Ermittlungsbehörden zugelassen wird.
Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig kämpft für die Unschuldvermutung
Bei der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ bleibt die nicht zu unterschätzende Herausforderung, für die Unschuldsvermutung zu streiten, Aufgabe der Strafverteidigung. Häufig kann mit ausführlichen schriftlichen Anträgen unter Darlegung der aussagepsychologischen Rechtsprechung des BGH die Belastungsaussage en detail analysiert und so die Unglaubhaftigkeit begründet werden.
Wird auch Ihnen eine Straftat vorgeworfen, bei der Aussage gegen Aussage steht, wenden Sie sich vertrauensvoll an Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig der in der Vergangenheit bereits vielfach in derartigen Konstellationen Einstellungen und Freisprüche erwirken konnte.
Ein Beitrag von Sarah Pedersen