STEUERSTRAFRECHT

Vorladung wegen Briefkastengesellschaft (Offshore-Gesellschaft)

Die öffentliche Diskussion um sogenannte Briefkastengesellschaften wurde im Jahre 2016 entfacht. Ein internationales Konsortium aus Investigativjournalisten hatte über lange Zeit hinweg Daten ausgewertet – Informationen, die dem Team im Rahmen eines Datenlecks zugespielt wurden.

Bei den Dokumenten – den sog. „Panama Papers“ handelt es sich um eine Vielzahl an Kopien von Schriftstücken um sogenannte Briefkastengesellschaften, die unter anderem in Panama ihren Sitz hatten, einem Land, das als sog. „Steueroase“ bzw. „Steuerparadies“ gilt – daher der Name Panama Papers.

 

Gründung einer Briefkastengesellschaft über Vermittler

Vermittelt wurden die Briefkastengesellschaften, die Gegenstand der Panama Papers sind, insbesondere durch die Kanzlei Mossack Fonseca (Mossfon). Seinerzeit war Mossack Fonseca (Mossfon) einer der weltweit größten Anbieter für Dienstleistungen rund um die Verwaltung und Gründung von Briefkastengesellschaften in Steuerparadiesen – auch „Offshore-Gesellschaften“ genannt. Bei den Panama Papers handelt es sich um interne Unterlagen der Kanzlei Mossack Fonseca zu den Offshore-Gesellschaften.

 

Bezeichnung „Briefkastengesellschaft“

Die Bezeichnung „Briefkastengesellschaft“ rührt daher, dass viele der Gesellschaften zwar über eine Geschäftsadresse verfügten, tatsächlich – so der Vorwurf – aber keinerlei Geschäftstätigkeit nachgingen. Die Geschäftsadressen waren zumeist in Staaten angesiedelt, die auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder („schwarzen Liste der Steueroasen“) verzeichnet sind. Dies umfasst neben dem Namensgeber der Panama Papers, dem Land Panama, unter anderem auch Länder wie Fitschi (Fiji), Palau, Samoa, die Amerikanischen Jungferninseln (Virgin Islands). Da es sich mehrheitlich um Inselstaaten handelt, werden die Briefkastengesellschaften auch Offshore-Gesellschaften (deutsch: Übersee-Gesellschaften) genannt. An den Geschäftsadressen der Offshore-Gesellschaften fand sich sodann zwar eine Rezeption und ein Postempfang, der indes teils viele Hundert Gesellschaften an einer Adresse verwaltete, über den „Briefkasten“ hinaus allerdings keine Mitarbeiter oder Büroflächen – daher der Name „Briefkastengesellschaft“.

 

Organisation durch Kanzlei Mossack Fonseca

Mossack Fonseca (auch kurz: Mossfon) bot seinen Mandanten „all-inclusive-Pakete“ rund um die Einrichtung und den Betrieb einer Briefkastengesellschaft an: So wurden nicht nur Gründungsformalitäten, Eintragungen und die Vermittlung einer Geschäftsadresse angeboten, sondern auch die Bereitstellung von Vertretern vor Ort, sodass die Gesellschaft formal handlungsfähig war, ohne dass die wirtschaftlich Berechtigten („beneficial owner“) unter eigenem Namen tätig werden mussten. Hierzu unterhielt Mossack Fonseca (auch kurz: Mossfon) Niederlassungen in anderen Ländern wie z.B. der Schweiz (Zürich und Genf) oder China (Hongkong, Shanghai, Shenzhen, Qingdao, Dalian, Jinan, Hangzhou und Ningbo).

Typischer Aufbau einer Briefkastengesellschaft

Hinter der Struktur einer Briefkastengesellschaft steht jeweils mindestens ein „echter“ Eigentümer bzw. wirtschaftlich Berechtigter – auch „beneficial owner“ genannt. Teils handelte es sich bei den beneficial ownern wiederum um Briefkastengesellschaften, hinter denen wiederum wirtschaftlich Berechtigte standen – sogenannte „real beneficial owner“. Beim kettenweisen Einsatz von Offshoregesellschaften als Gesellschafter bzw. Aktionäre bzw. anderer Treuhänder (nominee shareholder) ergibt sich folgende Kette:

  • 1. Stufe: Briefkastengesellschaft
  • 2. Stufe: beneficial owner der Briefkastengesellschaft
  • 3. Stufe: ultimate beneficial owner, wenn es sich beim real beneficial owner der Briefkastengesellschaft ebenfalls um eine Offshore-Gesellschaft handelt
  • Letzte Stufe: real ultimate beneficial owner, wenn der ultimate beneficial owner der Offshore-Gesellschaft wiederum eine Briefkastengesellschaft ist

 

Zum Teil wurden auch Identitäten missbraucht, um wirtschaftlich Berechtigte zu schützen. Damit die Gesellschaft Rechtsgeschäfte vornehmen konnte, wurden vor Ort sogenannte nominierte Direktoren (nominee director) eingesetzt. Aufgrund des Vorwurfs, dass die Briefkastengesellschaften tatsächlich keiner Geschäftstätigkeit nachgegangen seien, werden diese in den Ermittlungsakten der Finanzämter bzw. Staatsanwaltschaften auch als „Scheindirektor“ (dummy director) bezeichnet.

 

Gründung einer Briefkastengesellschaft strafbar bzw. illegal?

Die Gründung bzw. die Verwaltung einer solchen Briefkastengesellschaft ist per se nicht illegal oder gar strafbar. Im Gegenteil – es existieren diverse nachvollziehbare legale Zwecke einer Offshore-Gesellschaft. Beispielsweise werden Offshore-Gesellschaften von Prominenten bzw. Personen des öffentlichen Lebens genutzt, um (z.B. beim Kauf einer Immobilie) ihre Privatsphäre zu schützen.

 

Tätigkeit durch eine Briefkastengesellschaft je nach Zweck strafbar

Durch die Veröffentlichung formierte sich eine zentrale Einheit, die mit den Ermittlungen rund um die Datenlecks um die Offshore-Gesellschaften betraut wurde: Die sog. „Ermittlungsgruppe Olet“ in Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes Kassel II. Die Ermittlungsgruppe Olet wertet die Datenbestände aus und leitet Erkenntnisse an in den Bundesländern mit einer Spezialzuständigkeit versehene Straf- und Bußgeldstellen weiter, wie z.B. an das Finanzamt  für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg mit eigens für die Auswertung der Datenbestände betrauten hoch spezialisierten Finanzbeamten.

Im Zusammenhang mit Briefkastengesellschaften ergeben sich regelmäßig folgende Vorwürfe:

 

Steuerhinterziehung

Hauptsächlich im Fokus der Ermittler sind Sachverhalte, die den Verdacht der Steuerhinterziehung gem. § 370 I AO aufwerfen. Der Vorwurf lautet regelmäßig, dass Personen, die in Deutschland steuerpflichtig waren, Einkünfte der Briefkastengesellschaften vor dem Deutschen Fiskus geheimgehalten haben, um der hiesigen Besteuerung zu entgehen. Nicht nur existieren in den o.g. Steuerparadiesen teilweise keinerlei Pflichten zur Rechnungslegung. Auch die in den Gesellschaften angefallenen Gewinne unterlagen regelmäßig keinerlei oder verschwindend geringer Besteuerung. Da Briefkastengesellschaften funktionslos sind, werden die Einkünfte der Gesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unmittelbar den wirtschaftlich Berechtigten der Gesellschaft als eigene Einkünfte zugerechnet (vgl. z.B. BFH Urteil vom 11.7.2013, IV R 27/09, BStBl. 2013 II, 989).

 

Korruptionsdelikte

Weiterhin wird den beneficial ownern der Offshore-Gesellschaften auch vorgeworfen, Schmiergeldzahlungen erhalten oder Zahlungen zwecks Bestechung geleistet zu haben. Daher sehen die wirtschaftlich Berechtigten der Briefkastengesellschaft sich zum Teil mit  einer Vorladung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB konfrontiert. Handelt es sich um Amtsträger, kann auch der Vorwurf der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB, Bestechlichkeit gem. § 332 Abs. 1 StGB bzw. Bestechung gem. § 334 Abs. 1 StGB im Raum stehen.

 

Terrorismusfinanzierung / Umgehen von Embargos

Vereinzelt wird Beschuldigten rund um die Briefkastengesellschaften aus den Panama Papers auch die Terrorismusfinanzierung gem. § 89c Abs. 1 StGB bzw. der Verstoß gegen deutsche bzw. EU-Wirtschaftssanktionen und Embargos gem. § 17 Abs. 5 AWG vorgeworfen.

 

Verteidigungsmöglichkeiten

Je nach Aktenlage finden sich vielfach gute Anhaltspunkte, bereits im Ermittlungsverfahren auf eine Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO hinzuwirken bzw. in der Hauptverhandlung einen Freispruch zu erreichen. Oft gehen die Ermittlungsbehörden vorschnell von strafbaren Handlungen aus, obwohl z.B. nicht nachgewiesen ist, dass überhaupt in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Gewinne in den Briefkastengesellschaften angefallen sind.

Ferner ist oftmals – gerade aufgrund der unübersichtlichen Strukturen bereits die Täterschaft angreifbar, wenn die Ermittlungsbehörden nämlich eine lückenlose Kette zwischen Beschuldigtem und Briefkastengesellschaft nicht nachweisen können.

Die Verteidigungsmöglichkeiten richten sich je nach Einzelfall. Eine pauschale Verteidigungsstrategie kann nicht empfohlen werden. Zwar existieren wiederkehrende Muster in den zahlreichen Verfahren rund um Offshore-Gesellschaften, die Ausarbeitung einer Verteidigungstaktik kann indes immer erst nach erfolgter Akteneinsicht erfolgen. Auch ist zu diesem Zeitpunkt erst eine Prognose hinsichtlich der Chancen auf eine Einstellung des Verfahrens bzw. einen Freispruch möglich.

 

Vorladung wegen Briefkastengesellschaft: Schweigen und Anwalt zu Rate ziehen

Machen Sie keine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden, wenn Sie eine Vorladung oder einen Anhörungsbogen im Kontext einer Briefkastengesellschaft erhalten haben. Häufig wird vor der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen Beteiligte an Briefkastengesellschaften im ersten Schritt ein Bußgeldverfahren wegen der unterlassenen Anzeige einer Beteiligung an einer Auslandsgesellschaft  gemäß § 379 Abs. 2 AO eingeleitet. Die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten ist der Schlüssel zur Büchse der Pandora. Schweigen Sie auch im Rahmen einer eventuellen Durchsuchung Ihrer Wohn- und Geschäftsräume und verweisen Sie darauf, dass Sie sich anwaltlich vertreten lassen und keine Angaben zu den Vorwürfen machen möchten.

Nehmen Sie für ein Erstgespräch mit einem auf dem Gebiet des Steuer- und Wirtschaftsstrafrechts tätigen Verteidiger gerne Kontakt mit uns auf.

Strafverteidiger Prof. Dr. Alexander Barth betreut bei HT Defensio komplexe Steuerstrafverfahren mit nationalen und internationalen Bezügen. Er bereitet Sie auf eine eventuelle Durchsuchung vor, erklärt Ihnen, wie Sie sich verhalten sollen. Auf Ihren Wunsch begleitet er – im Rahmen seiner Verfügbarkeit – eine Durchsuchung auch persönlich. Zudem ist er Ansprechpartner für strafbefreiende Selbstanzeigen, die auch dann sinnvoll sein können, wenn sie nicht strafbefreiend aber zumindest strafmildernd wirken.

Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig ist Spezialist für Korruptionsdelikte. Steuerberater und Fachanwalt für Strafrecht Christian Albrecht steht Ihnen bei wirtschaftsstrafrechtlichen Vorwürfen ebenso zur Verfügung.

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