von: Rechtsreferendarin Leila El Sawaf
Vergleiche der Corona-Politik mit den Verbrechen des Nationalsozialismus können Volksverhetzung sein
Nazivergleiche sind in bestimmten Gruppierungen zurzeit im Trend. Unter der Verwendung des gelben Judensterns wird die deutsche Corona Politik kritisiert und mit der Judenverfolgung durch das NS-Regime verglichen. Die Netzwerke sind voll von kritischen Äußerungen, die versandt und geteilt werden.
Was ist eine Volksverhetzung?
Der Tatbestand der Volksverhetzung schützt den öffentlichen Frieden und das friedliche Zusammenleben im Staat.
Unterschiedliche Fallgruppen
Das Gesetz unterscheidet zwischen der allgemeinen Volkshetze und der spezifischen Verleugnung oder Verharmlosung des Völkermordes zur NS-Zeit.
Erstere stellt die Aufstachelung zu Hass oder Aufforderung zu Gewalt und Willkür gegen bestimmte Gruppen sowie einen Angriff auf die Menschenwürde unter Strafe. Auch wird das Verbreiten oder öffentlich zugänglich machen von volksverhetzenden Äußerungen, beispielsweise per WhatsApp oder auf Internet-Plattformen, bestraft.
Letztere stellt die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung der nationalsozialistischen Herrschaft unter Strafe.
Störung des öffentlichen Friedens
Die getätigte Aussage muss geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Wann eine Störung des öffentlichen Friedens vorliegt, erklärt § 130 StGB nicht. Dies erschwert eine Unterordnung des Verhaltens oder der Äußerung unter den Tatbestand.
Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt Volksverhetzung?
Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist sehr eng gefasst. Auf der anderen Seite ist immer die Meinungsfreiheit, die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet wird, zu sehen. Diese beinhaltet auch die Freiheit einer Meinungsäußerung, die anderen nicht gefällt. Sie ist einer der wichtigsten Grundlagen unserer Demokratie. Doch nach Art. 5 Abs. 2 GG hat auch die Meinungsfreiheit in allgemeinen Gesetzen ihre Schranken und somit Grenzen. Hierzu zählt auch der Volksverhetzungsparagraph.
Meinung oder Tatsachenbehauptung
Damit eine getätigte Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, muss es sich um eine Meinung und nicht um eine Tatsachenbehauptung handeln.
Eine Tatsache ist entgegen einer Meinung dem Beweis zugänglich. Nämlich ob diese richtig oder falsch ist.
Beliebtes Beispiel: Wer den Holocaust leugnet, äußert keine Meinung. Es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung und es ist eine klare Widerlegbarkeit gegeben. Die Leugnung ist als Volksverhetzung anzusehen.
Hasserfüllte Äußerungen sind stets anhand der Akte und des Einzelfalls zu betrachten. Viele werden in einem bestimmten Zusammenhang gemacht. Die Meinungsfreiheit schützt auch unsachliche, provozierende und zugespitzte Äußerungen.
Welche Strafe droht?
In Abhängigkeit vom Straftatbestand kommt eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren in Betracht.
Verjährung
Die Volksverhetzung verjährt spätestens nach fünf Jahren. Die Verjährungsfrist kann beispielsweise durch Ermittlungsmaßnahmen unterbrochen werden.
Nachweis der Täterschaft
Für eine Verurteilung ist der Nachweis der zu bestrafenden Handlung erforderlich. Besonders bei Taten im Internet bieten sich Anhaltspunkte für eine Verteidigung. Wurde beispielsweise eine volksverhetzende Äußerung gepostet genügt die alleinige Ermittlung der IP-Adresse und des Geräts, über welches die Äußerung getätigt wurde, nicht.
Uneinheitliche Rechtsprechung:
Verurteilung eines AfD-Politikers wegen des Vergleichs der Ausgrenzung von Parteianhängern mit der Judenverfolgung (BayOLG, 205 StRR 240/20)
Der Angeklagte trug auf einer Demonstration einen Judenstern. Auf diesem befand sich ein Aufdruck mit den Jahreszahlen 1933-1945 sowie das AfD-Logo mit dem Zusatz 2013-? Er wurde von dem Landgericht Augsburg wegen Volksverhetzung verurteilt.
Die Revision blieb ohne Erfolg.
Das Bayrisches Oberlandesgericht sah durch das Tragen eines Judensterns auf einer Demonstration eine Verharmlosung der Verfolgung der Juden durch das NS-Regime. Solch ein Verhalten sei geeignet, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Durch die aufgedruckten Jahreszahlen habe der Angeklagte erkennbar auf die gesamte Judenverfolgung Bezug genommen und damit auch auf den Holocaust. Seine Behauptung, nur auf die Ausgrenzung seiner Parteianhänger aufmerksam machen zu wollen, überzeugte nicht. Unter keinem Gesichtspunkt sei ein Vergleich denkbar.
Freispruch einer AfD-Politikerin wegen diverser Facebook-Posts (OLG Saarbrücken, Urteil v. 8.3.2021, Ss 72/20)
Eine AfD-Politikerin postete in ihrem Facebook Profil Judensterne mit der Aufschrift ,,nicht geimpft“, ,,AfD-Wähler“, ,,SUV-Fahrer“ und ,,Islamophob“. Ihre Einlassung beruhte ebenfalls auf dem Argument, auf die gesellschaftliche Ausgrenzung der genannten Personengruppen aufmerksam machen zu wollen. Nach dem Urteil des Oberlandesgericht Saarbrücken sind die Judensterne nicht geeignet, die öffentliche Meinung in einer Weise zu spalten, die den Rechtsfrieden gefährden könne. Sie habe nicht den Holocaust leugnen wollen und damit auch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.