ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Lea Knafla
In den letzten Wochen sorgten mehrere Angriffe auf Politiker* für Aufsehen. Insbesondere der Überfall auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke (SPD), der beim Aufhängen von Wahlplakaten von mehreren Personen zusammengeschlagen wurde, hat die Debatte um einen besseren Schutz von Politikern aufflammen lassen. Daneben liegt ein aktueller Reformvorschlag aus Sachsen vor, der künftig „Politisches Stalking“ unter Strafe stellen will.
Braucht es eine Verschärfung des Strafrechts oder gar neuer Straftatbestände, um Politiker zu schützen?
Wie ist die aktuelle Lage?
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 2790 Angriffe auf Mandatsträger aller politischen Strömungen verzeichnet, wobei der weit überwiegende Anteil auf Äußerungsdelikte – inklusive Nötigung und Bedrohung – entfiel (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion vom 26.01.2024 (BT-Drs. 20/10177)). Vielfach ist in den Medien von umfangreichen Schutzmaßnahmen die Rede, die Politiker, Wahlkämpfer und Ehrenamtliche bereits jetzt ergreifen, um den Wahlkampf im Superwahljahr 2024 sicherer zu gestalten: Plakate aufhängen nur bei Tageslicht, Kameraüberwachung, an jedem Infostand mindestens zwei Personen.
Und kein Zweifel, der Ton wird schärfer, die Hemmschwelle niedriger. Dass Politiker als Repräsentanten unserer Demokratie das Kernstück politischen Wirkens bilden, ist ebenfalls klar. Aber muss das „scharfe Schwert des Strafrechts“ wirklich noch schärfer werden, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen?
Was ist bereits strafbar?
Außer Frage steht, dass die Delikte, die jedermann schützen sollen, selbstverständlich auch für Politiker gelten. So dürften die Angreifer des SPD-Politikers Ecke eine gefährliche Körperverletzung verwirklicht haben (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Und auch in Fällen von Bedrohung, Nötigung, Beleidigung oder Sachbeschädigung macht es keinen Unterschied, ob das Opfer Max Mustermann oder ein Politiker ist.
Was viele nicht wissen: Bereits jetzt enthält das Strafgesetzbuch einige Sondertatbestände, die nur für Personen des politischen Lebens gelten. So ist zum Beispiel in den §§ 105, 106 StGB die Nötigung von Verfassungsorganen gesondert unter Strafe gestellt. Und auch eine Beleidigung aus einer politischen Motivation heraus, die geeignet ist, das öffentliche Wirken des Adressaten erheblich zu erschweren, kann anders bestraft werden als eine Beleidigung von Erika Musterfrau (§ 188 StGB).
Eine Strafbarkeitslücke? Aus unserer Sicht nicht erkennbar. Berücksichtigt werden musss auch, dass eine demokratiefeindliche Motivation sich auf der Ebene der Strafzumessung strafschärfend auswirken kann (§46 StGB). Es macht einen Unterschied, ob ich im Rahmen eines emotionalen Beziehungskonflikts kurzzeitig die Kontrolle über mein Tun verliere oder ob ich bewusst und geplant aus einem lange aufgestautem politischen Frust eine Straftat begehe.
„Politisches Stalking“ – Ein neuer Tatbestand?
Ein weiterer Vorschlag kommt aus Sachsen: Künftig soll so genanntes „politisches Stalking“ strafrechtlich geahndet werden können. Damit sind vor allem Bedrohungen und Einschüchterungen im privaten Bereich gemeint, z.B. Aufmärsche vor Privatwohnungen.
Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit. Stalking oder Nachstellung – wie es im juristischen Sprachgebrauch heißt – ist bereits in § 238 StGB geregelt und umfasst eine Bandbreite an Handlungsvarianten, u.a. auch das wiederholte Aufsuchen räumlicher Nähe.
Zudem dürfte die Abgrenzung zwischen hartnäckiger politischer Auseinandersetzung und tatsächlicher Belästigung die Justiz vor neue Herausforderungen stellen, denn innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit ist die gemeinsam mit anderen ausgeübte Kritik nicht nur erlaubt, sondern im Rahmen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich ausdrücklich geschützt. Und das gilt in einer pluralistischen und wehrhaften Demokratie gerade auch für solche Kritik, die nicht mehrheitsfähig ist. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden würden mit einer Flut neuer Fälle konfrontiert werden, was die Effizienz und Wirksamkeit der Justiz beeinträchtigen könnte. Wo würde legitimer politischer Protest enden und wo „politisches Stalking“ anfangen? Es droht eine Konturlosigkeit des Strafrechts.
Der sächsische Gesetzentwurf befindet sich aktuell im Bundesrat. Ob er seinen Weg bis ins Strafgesetzbuch finden wird, bleibt abzuwarten. Zu hoffen ist es unserer Auffassung nach nicht.
Wurde Ihnen der Vorwurf einer politisch motivierten Straftat oder eines anderen Delikts gemacht?
Dann zögern Sie nicht und kontaktieren Sie Fachanwalt für Strafrecht Dr. Jonas Hennig und sein Team. H/T-Defensio hilft Ihnen gerne weiter. Wir bieten Ihnen schnellstmöglich einen persönlichen Online-Termin zur kostenlosen Erstberatung an. Auf Wunsch natürlich auch an einem unserer Standorte.
*In diesem Text wird zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Alle Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.