von ht-strafrecht | 30. Januar 2023 | Defensio

Ohne Anwalt vor Gericht: Fünf Gründe, warum es keine gute Idee ist, sich selbst zu verteidigen

ohne-anwalt-vor-gericht-strafverteidigung

ein Beitrag von Rechtsreferendarin Daria Ivanova

 

Sollte man ohne Anwalt vor Gericht? Fünf Gründe für die professionelle Strafverteidigung

Amtsgericht Berlin-Tiergarten: Eine junge Frau muss sich vor Gericht wegen Diebstahls von sieben Packungen Nüssen und vier Packungen Kaffee verantworten. Die junge Ukrainerin, die kein Deutsch spricht, hat zwar einen Dolmetscher an ihrer Seite, allerdings keinen Strafverteidiger. Sie entschuldigt sich aufrichtig für ihre Tat und erzählt dem Gericht, sie habe die Lebensmittel im Flüchtlingsheim verkaufen wollen, um die Reparatur des Rollstuhls ihres Mannes bezahlen zu können. Eine bewegende Geschichte. Sie hofft auf Verständnis und Milde des Gerichts. Vergeblich. Das Gericht sieht in dem geplanten Verkauf der Beute eine Gewerbsmäßigkeit und verurteilt die nichtsahnende Frau wegen eines besonders schweren Falls des Diebstahls. Hätte sie nichts von der Verkaufsabsicht berichtet, wäre es wohl bei einem einfachen Diebstahl und damit bei einer milderen Strafe geblieben.

Was hier der Ukrainerin widerfahren ist, stellt keinen Einzelfall dar: Da die meisten Angeklagten über keine juristischen Kenntnisse verfügen, äußern sie sich häufig unbedacht und können hierdurch ihre Situation in ihrem Verfahren sogar verschlimmern. So erzählen Angeklagte vor Gericht häufig bereitwillig, wie viel sie verdienen. Diese Auskunft sollten Sie – gerade, wenn Sie ein hohes Einkommen haben – lieber für sich behalten, denn Geldstrafen werden nach der Höhe des Einkommens bemessen. Um Sie vor solchen und vergleichbaren Fällen zu bewahren, ist eine professionelle Begleitung durch einen Strafverteidiger sehr sinnvoll und kann viel Geld sparen.

 

  1. Waffengleichheit

Im Strafprozess sollte Waffengleichheit zwischen dem Justizapparat und dem Beschuldigten hergestellt werden.  Richter und Staatsanwälte haben zwei juristische Staatsexamina. Sie sprechen also, qua Ausbildung, die “gleiche Sprache”, kennen das Gesetz und wissen, worauf es ankommt. Der Beschuldigte spricht diese Sprache nicht.

Nur eine professionelle Verteidigung stellt Wissensgleichheit her. Nur wenn diese gegeben ist, kann eine annährend faire Balance zwischen der Staatsmacht und dem Beschuldigten und eine Verhandlung auf Augenhöhe hergestellt werden. Erst der Verteidiger gewährleistet also ein faires Verfahren. In einer Vielzahl von Fällen kommt die Staatsanwaltschaft ihrer Aufgabe, auch entlastende Faktoren für den Beschuldigten herauszuarbeiten, leider nicht nach. Aus diesem Grund ist in jedem Verfahren die Kontrolle durch einen Strafverteidiger angezeigt, etwa, um auf Beweisverwertungsverbote oder entlastende Umstände hinzuweisen und diese im Zweifel auch mit Nachdruck vor Gericht durchzusetzen.

 

  1. Umfassende Akteneinsicht

Eine wirksame Verteidigung kann nur erfolgen, wenn man Kenntnis von allen Umständen hat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden. Voraussetzung hierfür ist Akteneinsicht. Das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO steht dem Strafverteidiger im vollen Umfang zu. Die Akteneinsicht im Strafverfahren ohne Anwalt ist hingegen beschränkt. Zwar kann der Beschuldigte, der sich nicht durch einen Anwalt verteidigen lässt, Akteneinsicht verlangen. Im Unterschied zum Verteidiger ist dies jedoch nur vor Ort bei der zuständigen Behörde möglich. Bei eigenständiger Beantragung besteht das Risiko, dass Ihnen die Ermittlungsbehörden die Akteneinsicht verweigern oder Ihnen nur einen Teil der Ermittlungsergebnisse zugänglich machen. Der Verteidiger hat dagegen das Recht, sich die Akte zuschicken zu lassen und kann eine vollständige Akteneinsicht in alle verfahrensgegenständlichen Aktenteile durchsetzen.

 

  1. Emotionale Entlastung

Wenn man einer Straftat bezichtigt wird – unabhängig davon, ob zu Recht oder zu Unrecht – stellt das in der Regel eine große psychische Belastung für den Betroffenen dar. Wer emotional betroffen ist, verliert den nüchternen Blick und kühlen Kopf, den es für überlegte Entscheidungen braucht. Viele Beschuldigte entwickeln einen Drang, voreilig mit den Behörden zu sprechen oder sich zu rechtfertigen. Das kann schnell ins Auge gehen. Lassen Sie sich von einem Strafrechtsanwalt oder einer Strafrechtsanwältin vertreten, so übernimmt diese/r die gesamte Kommunikation mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Sie selbst brauchen sich nicht unangenehmen Fragen der Behörde aussetzen. Sie können die Verantwortung abgeben. Konzentrieren Sie sich auf Ihre eigene seelische Balance.

 

  1. Vermeidung einer öffentlichen Gerichtsverhandlung

Die Belastung, die ein Strafverfahren mit sich bringt, erreicht ihren Höhepunkt in einer öffentlichen Hauptverhandlung vor Gericht. Soweit muss es aber gar nicht kommen. Je früher Sie einen Strafverteidiger einschalten, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Hauptverhandlung vor Gericht abgewendet werden kann. Ein Strafverteidiger kann durch einen geeigneten Schriftsatz, eine so genannte Schutzschrift, an die Staatsanwaltschaft sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht darlegen, warum es keiner Anklageerhebung bedarf. H/T Defensio konnte im Jahr 2021 in rund 92 % aller Fälle, die wir im Ermittlungsverfahren betreut haben, eine Anklage und damit eine öffentliche Hauptverhandlung durch eine erfolgreiche Schutzschrift vermeiden.

 

  1. Mittelbare Konsequenzen wie den Entzug der Fahrerlaubnis verhindern

Durch eine frühzeitige Intervention, die etwa eine Anklage oder den Erlass eines Strafbefehls vermeiden kann, lässt sich viel Geld sparen. Aber die Erfahrung und Expertise eines Verteidigers zahlt sich in der Regel nicht nur in monetärer Hinsicht aus.  Viele Fälle mögen auf den ersten Blick einfach gelagert sein, können aber im Ergebnis nicht nur zu einer Sanktion, sondern auch zu weiteren Konsequenzen führen. Dazu gehören mit einer Strafe einhergehende Folgen wie zum Beispiel eine Eintragung im Führungszeugnis, der Verlust der Amtsfähigkeit, ein Berufsverbot, der Widerruf einer Waffenerlaubnis, ein Fahrverbot oder sogar der Verlust des Führerscheins. Jedes Strafverfahren hat seine Besonderheit. Jeder Beschuldigte hat seine individuellen Interessen. Die Erfahrung eines Strafverteidigers kann Ihnen helfen, in Ihrem konkreten Fall das Beste für Sie rauszuholen und Ihre persönlichen Interessen durchzusetzen.

 

Möchten Sie lieber kein Risiko eingehen? Dann gehen Sie nicht ohne Anwalt vor Gericht

Dann sollten Sie das spezialisierte Anwaltsteam von H/T Defensio kontaktieren. In einem kostenlosen Erstgespräch beraten wir Sie individuell, welche Verteidigungsstrategie in Ihrem Fall die Sinnvollste ist. Wir bieten bundesweit hochspezialisierte und professionelle Verteidigung, sowohl vor Gericht als auch im Ermittlungsverfahren. Vereinbaren Sie gerne einen Online-Termin oder besuchen Sie uns an unseren Standorten in Kiel, Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Bremen, Hannover, Osnabrück, Dortmund, Münster, Frankfurt, Düsseldorf, Bonn oder Köln.