von: Rechtsreferendarin Leila El Sawaf
265 StPO ist ein gesetzlich geregelter Fall der Fürsorgepflichten zugunsten des Angeklagten. Der Hinweis selbst ist Ausdruck des Grundsatzes rechtlichen Gehörs. Er soll die sachgerechte Verteidigung sichern und vor Überraschungsentscheidungen schützen.
Wann bedarf es eines rechtlichen Hinweises?
Oft stellt sich durch die in der Hauptverhandlung stattfindende Beweisaufnahme heraus, dass der Tatvorwurf, so wie er in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss beschrieben ist aufgrund geänderter Sachlage in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht mehr bestehen bleibt.
Sodann muss geprüft werden, ob es sich noch um dieselbe prozessuale Tat i.S.d. § 264 Abs. 1 StPO handelt. Zu einer solchen gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung, ob es sich trotz Veränderung des Tatbildes noch um dieselbe prozessuale Tat handelt, ist die ,,Nämlichkeit“. Dies ist – ungeachtet gewisser Unterscheide – der Fall, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen.
Bei Tatidentität verlangt die StPO einen rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO aus Gründen der Verfahrensfairness.
Ergibt sich das Vorliegen einer anderen prozessualen Tat so ist eine Aburteilung in demselben Verfahren durch die Erhebung einer Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO möglich. Hierfür ist jedoch eine Zustimmung des Angeklagten erforderlich.
Beispiel 1: A ist wegen Körperverletzung zum Nachteil des B angeklagt. Es werden ihm drei Faustschläge in das Gesicht vorgeworfen. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass es ein Faustschlag und ein wuchtiger Tritt mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf war.
Das Geschehen bewegt sich innerhalb derselben prozessualen Tat. Es hat ein Hinweis nach § 265 StPO zu erfolgen, dass auch eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 (gefährliches Werkzeug) und Nr. 5 (abstrakt lebensgefährdende Behandlung) in Betracht kommt.
Beispiel 2: Wieder ist A wegen Körperverletzung angeklagt. Dieses Mal stellt sich im Rahmen der Hauptverhandlung heraus, dass er versucht hat, einen Zeugen zu einer Falschaussage anzustiften.
Die versuchte Anstiftung zur Falschaussage hat nichts mit dem Anklagegeschehen zu tun und bewegt sich daher nicht im Rahmen der angeklagten prozessualen Tat. Diesbezüglich muss also ein neues Verfahren eingeleitet werden. Ein rechtlicher Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage in Betracht kommt, reicht nicht aus.
Fallgruppen des § 265 StPO:
- Anwendung eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes (Abs. 1)
- sich erst in der Verhandlung ergebende straferhöhende Umstände oder solche, die die Verhängung einer Maßregel rechtfertigen (Abs. 2 Nr. 1)
- ein Abweichen von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage (Abs. 2 Nr. 2)
- Änderung eines tatsächlichen Umstands in einem für die Verteidigung wesentlichen Punkts (Abs. 2 Nr. 3)
Anforderungen an den Umfang des rechtlichen Hinweises
Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Hinweis nicht nur erkennbar machen auf welches Strafgesetz eine Verurteilung möglicherweise gestützt werden kann, sondern auch durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Straftat als möglicherweise erfüllt ansieht.
Der Hinweis muss geeignet sein, dem Angeklagten Klarheit über die tatsächliche Grundlage des abweichenden rechtlichen Gesichtspunkts zu verschaffen und ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu bewahren. Er muss eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten gewährleisten. Auf Antrag ist die Hauptverhandlung dafür gemäß § 265 Abs. 3, 4 StPO auszusetzen.
Einzelfallbezogen kann davon abgewichen werden, wenn die tatsächlichen Grundlagen des neu in Betracht gezogenen Straftatbestandes für den Angeklagten ohne weiteres zweifelsfrei ersichtlich sind.
Folgen eines unzureichenden Hinweises
Ist ein rechtlicher Hinweis nicht erfolgt, entspricht dieser nicht den gesetzlichen Vorgaben oder wurde keine ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung einer Verteidigung gegenüber der veränderten Rechtslage gewährt, so kann dies mit der Revision gerügt werden. Dies führt in der Regel zur Aufhebung des Urteils.