eine Einordnung von Rechtsreferendarin Ronja Pfefferl
Die Justizminister der Länder haben sich auf der Herbstkonferenz der Justizminister und Justizministerinnen für eine Erweiterung des Strafbefehlsverfahrens ausgesprochen. Zur Entlastung der Justiz soll es nach dem Vorschlag der Minister künftig möglich sein, eine Haftstrafe bis zu 2 Jahren auf Bewährung auszusprechen. Eine gute Idee?
Was ist ein Strafbefehl?
Ein Strafbefehl ist eine Verurteilung ohne Verhandlung. Das bedeutet, ein Richter trifft allein auf Grundlage des Akteninhalts eine Entscheidung. Anders als bei einer Entscheidung durch Urteil, die aufgrund einer Gerichtsverhandlung ergeht, muss bei einem Strafbefehl die Schuld des Angeschuldigten nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Vielmehr wird in einem „summarischen Verfahren“ beurteilt, ob die Schuld des Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Damit sollen Fälle einfacher Kriminalität schnell und einfach geahndet werden können.
Status Quo – Maximal 1 Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung
Nach § 407 StPO kann bisher mittels Strafbefehls als Sanktion neben einer Geldstrafe oder der Entziehung der Fahrerlaubnis die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung verhängt werden. Voraussetzung für die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist, dass der Angeschuldigte anwaltlich vertreten ist, also einen Verteidiger hat. Eine vorherige Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht bedarf es nicht.
Was sind nun die Pläne der Justizminister?
Der Vorschlag der Justizminister sieht eine Erweiterung der möglichen Sanktionen auf bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung vor. Damit könnte auch in Fällen vor dem Landgericht und bei Verbrechen – also solchen Straftaten, die eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorsehen – ein Strafbefehl verhängt werden. Ziel ist es, die Strafjustiz angesichts der zunehmenden Überlastung der Gerichte zu entlasten.
Wieso wird das Vorhaben weitgehend kritisch gesehen?
Die Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens bringt erhebliche Nachteile und Risiken für Beschuldigte mit sich. Das Strafbefehlsverfahren wurde für Bagatellkriminalität geschaffen. Die Schuld des Beschuldigten bei Verhängung eines Strafbefehls muss nicht feststehen. Die Verhängung einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren allein auf der Grundlage, dass die Schuld des Angeschuldigten wahrscheinlich ist, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schwer vereinbar. Das rechtsstaatliche Gebot, in einem Strafprozess die „materielle Wahrheit“ zu erforschen, wird massiv eingeschränkt. Zu bedenken ist auch, dass eine Vielzahl von Menschen es verabsäumt, rechtzeitig Einspruch gegen einen Strafbefehl einzulegen. Die Folge ist, dass das in dem Strafbefehl ausgeurteilte Urteil in Rechtskraft erwächst.
Nur in einer Hauptverhandlung kann der Richter das erforderliche Gesamtbild der Persönlichkeit des Beschuldigten erlangen. Der so erlangte persönliche Eindruck ist unabdingbar für die Entscheidung über das Strafmaß.
Schließlich ist auch bei Verhängung einer Haftstrafe auf Bewährung nicht gesichert, dass es bei dieser Bewährung bleibt. Sollte der Angeschuldigte unter laufender Bewährung stehen, kommt ein Bewährungswiderruf in Betracht. Auch wenn nach kurzer Zeit eine weitere Verurteilung dazu kommt, kann unter Umständen aus der Bewährungsstrafe doch noch eine Haftstrafe werden. In Fällen, in denen mit der weiteren Verurteilung eine Gesamtstrafe gebildet wird, kann nämlich schnell das Strafmaß von 2 Jahren überschritten sein, sodass eine Bewährung nicht mehr möglich ist. Das kann zur Folge haben, dass ein Beschuldigter für eine beträchtliche Zeit ins Gefängnis muss, ohne dass sich ein Richter in einer Hauptverhandlung intensiv mit der Person des Angeklagten und seiner Angelegenheit beschäftigt hätte.
Haben sie einen Strafbefehl erhalten…
…oder wollen verhindern, dass es überhaupt so weit kommt? Bereits vor Verhängung eines Strafbefehls sollten sie umgehend einen Strafverteidiger kontaktieren, wenn gegen sie ein Ermittlungsverfahren läuft.
Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig und das Team von H/T-Defensio stehen Ihnen bundesweit als Ansprechpartner zur Seite. Unser Ziel ist stets, bereits im Ermittlungsverfahren eine Einstellung zu erwirken. In vielen Fällen kann so die Verhängung eines Strafbefehls oder gar eine öffentliche Hauptverhandlung verhindert werden. Sollte dies nicht (mehr) möglich sein, werden wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung auch über das Ermittlungsverfahren hinaus die bestmögliche Verteidigung bieten.