von ht-strafrecht | 16. August 2023 | Defensio

Amazon Alexa im Mordprozess: Alexa, klär diesen Mord auf!

amazon-alexa-im-mordprozess

ein Blogbeitrag von Rechtsreferendarin Antonia Mehl

Amazons virtueller Sprachassistent Alexa ist in vielen Haushalten zum Familienmitglied geworden: Ob Einkaufslisten schreiben, Playlists abspielen oder personalisierter Wetterfrosch, Alexa regelt das. In einer Mordsache vor dem Landgericht Regensburg ist sie nun zur Zeugin mutiert, zumindest fast.

 

Alexa, was ist passiert?

Einem Heizungsbauer wurde vorgeworfen, er habe seine Lebensgefährtin nach dem Sex erwürgt. Unklar war in dem Indizienprozess aber, ob der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Ablebens des Opfers überhaupt gewesen ist. Den für die Verurteilung entscheidenden Hinweis sollte eine kleine, unscheinbare Lautsprecherbox bringen, die neben dem Bett des Opfers gestanden hatte: Alexa.

Datenschützern ist Alexa seit jeher suspekt. Denn sie ist dazu fähig, Gespräche „mitzuhören“ und zeichnet diese auch auf. Und genau dieser Umstand machte sie in dem Strafprozess aus Bayern zu einem begehrten Beweismittel.

Um Amazon dazu zu bewegen, die Aufzeichnungen Alexas in dem vorliegenden Falle zu offenbaren, bedurfte es noch nicht einmal eines Rechtsmittelersuchens. Eine schriftliche Anfrage der Polizei reichte vollkommen aus. Im Ergebnis konnte der Fall anhand zweier Sprachbefehle „gelöst“ werden, die Alexa am Tatabend aufgezeichnet hatte. Aufgrund ihres Zeitpunktes und ihrer Abfolge konnte sicher darauf geschlossen werden, dass der Beschuldigte sich zum Zeitpunkt des Todeseintritts des Opfers noch in der Wohnung befunden und diese auch als letzter verlassen hatte.

 

Alexa, was für ein Beweismittel bist Du nur?

Eine Zeugin im klassischen Sinne ist Alexa natürlich nicht. Ein Zeuge im Sinne unserer Strafprozessordnung ist eine natürliche Person, ein Mensch aus Fleisch und Blut, die in einer nicht gegen sie selbst gerichteten Strafsache Wahrnehmungen über Tatsachen durch Aussage kundgeben kann. Alexa hingegen ist aus Plastik, mit einem unübersichtlichen Innenleben aus Kabeln und Platinen und einer Lautsprechermembran.

Rechtlich werden Sprachaufnahmen wie diejenigen Alexas in einem so genannten „Augenschein“ in den Strafprozess eingeführt, gemäß § 86 StPO. Augenschein meint nicht nur, wie Nichtjuristen wohl vermuten würden, ein Wahrnehmung durch Sehen. Rechtlich ist auch Hören, Fühlen, Schmecken und sogar Riechen eine Inaugenscheinnahme.

 

Alexa, bist Du ein Spitzel?

Man darf darüber nachdenken, ob ein solch „strafprozessualer“ Einsatz Alexas die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG) verletzt. Sobald Grundrechte eingeschränkt werden, bedarf es hierzu einer Rechtsgrundlage. Diese könnte hier in § 100a StPO zu sehen sein, der unter gewissen Voraussetzungen eine Überwachung der Telekommunikation erlaubt.

Sprachassistenten wie Alexa fallen jedoch nur unter die Telekommunikation, soweit sie mit technischen Geräten außerhalb des eigenen Haushalts kommunizieren. Da der Angeklagte der Sprachassistenz lediglich befohlen hatte, sich selbst auszuschalten, fand keine Telekommunikation nach außen statt, mit der Folge, dass sich der Eingriff nicht auf § 100a StPO stützen konnte.

 

Alexa, bist Du etwa Teil des „Großen Lauschangriffs“?

In Betracht kam aber eine Verwertung aufgrund des so genannten „Großen Lauschangriffs“, § 100c Abs 1 StPO. Danach dürfen die Ermittlungsbehörden bei besonders schweren Straftaten das in einer Wohnung gesprochene Wort mit technischen Mitteln abhören und aufzeichnen, soweit tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen und die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos wäre.

Der „Große Lauschangriff“ ist jedoch schon seinem Wortlaut nach nur für das zukünftige gesprochene Wort anwendbar. Die Sprachaufnahmen von Alexa lagen hingegen schon vor, bevor hinsichtlich der Tat überhaupt ermittelt wurde.

Das Gleiche gilt auch für eine Online-Durchsuchung gemäß § 100 b StPO.

 

Alexa, wie zum Teufel können wir Dich sonst verwerten?

Das Gericht hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob die Sprachaufnahmen dennoch verwertet werden können. Bei den so genannten unselbstständigen Beweisverwertungsverbote ergibt sich das Verwertungsverbot bereits aus der rechtswidrigen Erhebung des Beweismittels.

Da jedoch die Initiative zum Abhören nicht von den Ermittlungsbehörden ausging sondern von der Firma und Amazon und ihrer willigen Gehilfin namens Alexa konnte bereits nicht von einer rechtswidrigen Erhebung durch staatliche Stellen ausgegangen werden.

Auch das Vorliegen eines selbstständigen Verwertungsverbot verneinte das Gericht. Solche werden unmittelbar aus den Grundrechten hergeleitet und sind immer Frage einer Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und den schutzwürdigen Interessen des Angeklagten. In einer Abwägung der Schwere des aufzuklärenden Tötungsdelikts mit dem Verstoß gegen Art. 13 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beeinträchtigung der Privatsphäre von untergeordneter Bedeutung sei.

 

Alexa, wie soll das alles noch enden?

Sprachassistenten und künstliche Intelligenz werden in den kommenden Jahren immer mehr Aufgaben in unserem Alltag übernehmen. Entsprechend werden sie auch immer stärker als Beweismittel in Strafverfahren von Interesse werden. Wohlmöglich wird es alsbald ein eigenes Gesetz brauchen, um die Spitzeltätigkeit von Alexa und ihren Verwandten in rechtsstaatlichen Grenzen zu halten.

 

Alexa, an wen kann ich mich bei Nachfragen wenden?

Natürlich an uns, die Kanzlei H/T Defensio. Als Strafverteidiger:innen sehen wir es als unsere Aufgabe an, den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung unserer Mandanten vor staatlicher Überwachung zu schützen und ihre Bürgerrechte zu bewahren. Darauf achten wir in sämtlichen Verfahrensstadien eines Strafverfahrens, zum Beispiel, indem wir einen Verstoß gegen Beweisverwertungsverbote rügen. Wir sind auf sämtliche Bereiche des Strafrechts spezialisiert und stehen Ihnen bundesweit zur Verfügung. Vereinbaren Sie einen unkomplizierten Online-Termin für ein kostenloses Erstgespräch oder besuchen Sie uns an einem unserer Standorte in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen.